Karolina Meyer-Schilf über Marko Letonjas Erstes Philharmonisches Konzert: Prokofjew? Pustekuchen
Ein „Solo für’s Orchester“ sollte das Eröffnungskonzert der Bremer Philharmoniker unter ihrem neuen Generalmusikdirektor Marko Letonja werden – das ursprünglich angekündigte Programm sah eine spannungsreiche Mischung aus Boulanger, Prokofjew und Bartók vor. Ein „persönliches Lieblingsprogramm“, so hieß es in der Ankündigung, erfülle sich Letonja damit.
Dass daraus nichts wurde, lag am Pianisten Alexander Krichel: Der Bremer Publikumsliebling entschied sich nämlich kurzfristig um. Nicht Prokofjew wollte er spielen, sondern Beethoven, das fünfte Klavierkonzert. Dass Letonja daraufhin auch Lili Boulanger vom Programm strich und durch die belanglose Ouvertüre „König Stephan“ von Beethoven ersetzte, sei der Konzertdramaturgie geschuldet, sagte der neue Generalmusikdirektor zu Beginn des Konzertes an. Von dem ursprünglich geplanten „Solo für’s Orchester“ blieb damit nur noch Bartok übrig: Die einfallslose Ouvertüre konnte den Philharmonikern keinen Esprit entlocken, das Beethovenkonzert bestritten sie aus dem Repertoire. Der Programm-Crasher Krichel zeigte sich sowohl künstlerisch als auch gestisch-mimisch virtuos – und hängte nach frenetischem Applaus auch gleich noch eine Eigenkomposition als Zugabe dran.
Blieb dem Orchester also Bartoks Konzert Sz 116, um zu glänzen, und das taten die Philharmoniker dann auch, sobald man sie ließ. „Es ist ein Stück für 80 Solisten“, hatte Letonja noch in der Konzerteinführung gesagt – und das einzige, das von seinem ursprünglichen Plan für diesen Abend noch übrig geblieben war. Letonja dirigierte Bartok ohne Partitur. Sein Stil: unprätentiös und auf angenehme Weise fürsorglich. Er kümmert sich um seine neuen Philharmoniker, so scheint es, wie ein guter Musiklehrer um sein Schulorchester – und das im wirklich besten Sinne: Es ist ein sorgsamer Umgang, den Letonja mit seinem Orchester pflegt, mit klaren Einsätzen und präziser Steuerung von Tempo, Dynamik und Phrasierung bei völliger Abwesenheit von jedweder Exaltiertheit. Wenn man ihn und die Philharmoniker dann auch noch das Programm spielen lässt, was sie sich ausgedacht haben – dann wird das eine gute Sache, diese Zusammenarbeit.
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