: Die Zebras kommen an
Im kleinen Revierderby trennen sich der MSV Duisburg und Borussia Dortmund 1:1, was beide Seiten einigermaßen zufrieden stimmt. Vor allem Tomas Rosicky scheint sich seiner alten Form zu nähern
AUS DUISBURG HOLGER PAULER
Zehn Minuten vor Spielende hatte der MSV Duisburg plötzlich die „Brust frei“. MSV-Trainer Norbert Meier erkannte seine Mannschaft nicht mehr wieder. Mehrmals trat er mit voller Wucht vor die Verbandskiste neben der Trainerbank. Markus Kurth hatte für den MSV soeben das 1:1 erzielt und den bis dahin sicher scheinenden Erfolg der Borussia aus Dortmund ins Wanken gebracht. Dass es für den Aufsteiger am Ende dann nicht mehr zu drei Punkten reichte, lag daran, dass „wir in einigen Situationen nicht uneigennützig genug waren“, fand Meier. Den Duisburgern ergaben sich plötzlich Räume, die sie in den 80 Minuten zuvor vergeblich gesucht hatten. Und davon waren sie offensichtlich dermaßen überrascht, dass sie mindestens drei Überzahlsituationen in Nähe des Dortmunder Strafraums durch Dribbling oder ungenaues Pass-Spiel herschenkten. So endete das kleine Revierderby der aktuellen Bundesliga-Saison zwischen dem MSV Duisburg und Borussia Dortmund 1:1.
Die MSV-Fans feierten den Punkt wie einen Sieg, und die 5.000 Borussen-Fans, die sich eigentlich auf einen „Auswärtssieg“, beim „Heimspiel in Duisburg“ eingestellt hatten, honorierten immerhin die gute Leistung ihrer Mannschaft mit Applaus. Warum die schwachbrüstigen Meidericher (wie schon im ersten Heimspiel gegen den VfB Stuttgart) so lange brauchten, um ins Spiel zu kommen, wusste Norbert Meier später auch nicht wirklich zu erklären. „Alles, was eigentlich stimulierend wirken sollte, ausverkauftes Haus, Derbystimmung, wirkt momentan hemmend“, stellte Meier fest. Außerdem würden in der Ersten Liga Dinge bestraft, die in der Zweiten Liga oft noch durchgingen. Ist seine Mannschaft also noch nicht in der Bundesliga angekommen? „Doch, doch, das sind wir schon. Aber Dortmund und Stuttgart sind natürlich auch Mannschaften, die gut besetzt sind und zu den Top-Teams der ersten Liga gehören“, sagte Meier.
Vielleicht lag es aber auch an den Vorgaben des Trainers, die zu der allzu zögerlichen Spielweise führten. Das 4-3-3-System des MSV wies nur auf dem Papier drei Spitzen auf. Während der letztjährige Torjäger Abdelaziz Ahanfouf die zentrale Rolle besetzte, waren Markus Kurth und Neuzugang Klemen Lavric vor allem damit beschäftigt, die Vorstöße der beiden Dortmunder Außenverteidiger Dede und Philipp Degen zu verhindern – das machten sie 70 Prozent des Spiels. „Das war eine sehr laufaufwendige Aufgabe“, sagte ein völlig erschöpfter Markus Kurth nach dem Spiel, „im Spiel nach vorne fehlte dann die nötige Kraft.“ Kurz nach diesen Sätzen flüchtete er in die Kabine: „Ich muss dringend was trinken.“
Optisch drückte sich diese Aufgabenverteilung unter anderem darin aus, dass die Duisburger 30 Meter vor dem eigenen Strafraum einen 10er-Abwehrriegel aufbauten und die Dortmunder dennoch kombinieren ließen. Allein Torhüter Georg Koch war es zu danken, dass der MSV im Spiel blieb. Als der angeschlagene Koch in der 64. Minute durch Sven Beuckert ersetzt wurde, schienen die letzten Duisburger Hoffnungen zu schwinden; doch Beuckert setzte die Arbeit seines Vorgängers übergangslos erfolgreich fort.
Borussia Dortmund zeigte über weite Stecken eine bemerkenswerte Dominanz. Der nach Verletzung zurückgekehrte Spielmacher Tomas Rosicky war von den Duisburgern nicht zu kontrollieren. „Eine überragende Leistung“, wie auch BVB-Trainer Bert van Marwijk nach dem Spiel feststellte. „Sechs bis sieben hundertprozentige Torchancen“, zählte van Marwijk bei seinem Team, „dazu noch sechs bis sieben weitere Möglichkeiten.“ Doch einzig Lars Ricken traf nach einer Stunde. Enttäuscht oder sauer sei er aber trotzdem nicht, befand van Marwijk. Schließlich habe man „auswärts sehr gut gespielt und 80 Minuten das Spiel kontrolliert“. Und einen leichtsinnigen Umgang mit den Chancen – wie zuletzt häufig bemängelt – habe er auch nicht feststellen können. „Wir werden mit dieser Spielweise zwangsläufig drei Punkte einfahren.“
Auch Nationalverteidiger Christian Wörns mochte die Einschätzung seines Trainers teilen: „Wir bleiben ruhig, wir sind auf einem guten Weg, schließlich sind wir Ähnliches aus der vergangenen Saison gewohnt.“ Erfahrungswerte, die man nicht unterschätzen dürfe. In der Rückrunde war der BVB zumindest punktemäßig die zweitbeste Mannschaft – und dahin will das Team auch in der laufenden Saison. „Die Mannschaft verbessert sich Woche für Woche“, sagte Christoph Metzelder. Eine Einschätzung, die zumindest die Kollegen von der Boulevardpresse so nicht bestätigen mochten. Bert van Marwijk gilt bei Bild jedenfalls als erster Kandidat auf eine Trainerentlassung, Borussia Dortmund als Abstiegskandidat. Nimmt man die Mannschaftsleistung aus dem Duisburgspiel als Grundlage, gibt es in der Bundesliga mindestens weitere 17 Kandidaten.