Der Mülleimer auf dem Kopf von Virginia Woolf

In den Kleiderschränken von Kulturikonen stöbern: der Band „Legendary Authors and the Clothes They Wore“

Von Annabelle Hirsch

Es gab Zeiten in Deutschland, und so lange sind die noch gar nicht her, da hielt man hartnäckig an dem für das Stadtbild ebenso traurigen wie intellektuell hirnrissigen Glauben fest, ein kluger, ein feiner Geist könne sich nicht für Mode interessieren. Die Freude an guten Schnitten und schönen Stoffen sei etwas für Dummköpfe, dachte man, und verwechselte einen fehlenden Sinn für Ästhetik gerne mal mit sogenannter Tiefgründigkeit.

Heute ist das zum Glück anders. Mittlerweile weiß man auch hier, dass Stil, ob gut oder schlecht ist Geschmacksfrage, mehr braucht als nur ein prall gefülltes Portemonnaie und ein French-Vogue-Abo. Zum Beispiel Witz, Mut und Eigensinn. Und dass Menschen mit tollen Gedanken auch ab und zu einen an ihr Aussehen „verschwenden“. Schriftsteller_innen, Theater-Autor_innen, Kritiker_innen, Journalisten_innen, solche Leute.

Die britische Autorin Terry Newman hat Letzteres zum Thema eines mal etwas anderen Modebuches gemacht: „Legendary Authors and the Clothes They Wore“ (erschienen im amerikanischen Verlag Harper Collins) stellt neunundvierzig Autoren und Autorinnen vor, deren Schriften die Menschen in den vergangenen hundert Jahren bewegt haben, und interessiert sich dabei vor allem für ihren Kleidungsstil. Oder besser gesagt für die Frage, inwieweit man zwischen ihrem Stil und ihrem Schreiben irgendeine sinnvolle Korrelation herstellen kann.

Denn was wäre Susan Sontag ohne ihre berühmte weiße Strähne? Was die großartige Fran Lebowitz ohne ihren schwarz gewellten Bob, ihr Jackett zu Jeans und weißem Männerhemd? Was Zadie Smith ohne ihre ihr Gesicht so perfekt umrahmenden Turbane? Man achtet normalerweise nicht so sehr darauf, doch tatsächlich, das wird einem beim Durchblättern dieses Buches klar, haben die meisten Autoren und Autorinnen irgendein modisches Erkennungszeichen. Manchmal eines mit Bedeutung.

Die französische Schriftstellerin Colette zum Beispiel wechselte etwa zu jener Zeit vom Kleid und Korsett zum praktischen Männeranzug, als sie sich von ihrem Mann Henry Gauthier-Villars scheiden ließ. Fortan veröffentlichte sie ihre „Claudine“-Bücher unter eigenen Namen statt unter dem Pseudonym ihres Ehemanns „Willy“ – und das funktionierte als Mann verkleidet einfach besser. Ähnlich war es bei George Sand.

Bei Simone de Beauvoir wiederum kam das Kopftuch, das später zu ihrem Markenzeichen wurde, ganz einfach aus Sachzwängen dazu: Während des Krieges war das Wasser knapp und die Friseure in Paris hatten nicht immer geöffnet, weshalb die Frauen zu Tricks, etwa einem kleinen, alles verbergenden Turban greifen mussten.

Manche trugen auch Hüte, worüber die berühmte Sammlerin und Schriftstellerin Gertrude Stein in ihrem Buch „Paris, France“ schrieb und meinte, solange die Frauen Hüte trügen, sei die Welt noch halbwegs in Ordnung. Sie selbst soll sich nach dem Erfolg ihres Buches „The Autobiography of Alice B. Toklas“ erst einmal einen Hermes-Anzug gekauft haben, was ihre dominante Rolle im Paris der Avantgarde fabelhaft unterstrichen haben muss.

So wie Virginia Woolf ihre Einzigartigkeit einmal unterstrich, indem sie zu einer Lesung einen Mülleimer auf dem Kopf trug. Für die meisten, so suggeriert es das Buch, war oder ist Mode also eine Art logische Erweiterung ihrer Schriften, ein Unterstreichen ihrer Gedanken im Alltag. Für wenige, etwa Sylvia Plath, war es wohl das Gegenteil: Sie, so meint New­man, habe das innere Chaos, von dem sie in ihren Büchern berichtet, im wahren Leben zu verbergen versucht, indem sie sehr unauffällige, man könnte sagen: brave Kleidung trug.

Was nun daran stimmt und was nicht, das wird man in diesem eher assoziativ als analytisch vorgehenden Coffee-Table-Book eher nicht erfahren, nur ist das auch vollkommen egal. Es macht auch so großen Spaß, in den Kleiderschränken und Modegeschichten dieser literarischen Giganten zu stöbern.

Terry Newman: „Legendary Authors and the Clothes They Wore“. Harper Collins, New York 2018, 208 Seiten, 29,99 Dollar