: Gute Ideen und schwarze Zahlen
DURCHSTARTEN Film, Design, Werbung und Kunst: Gründer in diesen Branchen fehlt oft betriebswirtschaftliches Know-how. Ihnen hilft das Berliner Kreativ Coaching Center
VON ANTJE STIEBITZ
Wenn Ines Kretschmar vom Berlin Kreativ Coaching Center (KCC) von „den Kreativen“ spricht, meint sie Unternehmer aus der Film- und Fernsehbranche, Industrie- und Modedesign, Werbung und Kunst. Schöpferisch begabte Menschen, deren Stärke darin liegt, der Welt fantasievoll zu begegnen, und die mit Zahlen und Kalkulation oft wenig anfangen können. „Kreative verfolgen ihre Ideen oft intensiv, aber vernachlässigen die wirtschaftliche Seite,“ erklärt die KCC-Projektleiterin Kretschmar. Hier setzt das Programm des KCC an: Das subventionierte Coaching soll Einfallsreichtum und Businessmentalität miteinander versöhnen.
Die Lage des viel beschworenen Berliner kreativen Prekariats darf allerdings nicht zu misslich sein, um ins KCC-Programm aufgenommen zu werden. Die gute Idee alleine reicht nicht aus, sondern die Existenzgründer müssen schon was vorweisen. Beispielsweise, dass sie bereits ein gewerbliches Unternehmen gegründet haben oder es zumindest innerhalb eines Jahres vorhaben. Und erste Einnahmen müssen eingegangen sein. „Auch wenn es erst mal geringe monatliche Umsätze sind“, beschwichtigt Ines Kretschmar und spricht von 2.000 bis 3.000 Euro. Dem KCC geht es eher darum, ein Unternehmen auszubauen oder den Feinschliff vorzunehmen. „Gründer, die noch in der Vorgründungsphase stecken, schicken wir zu Start:Chance.“
Erfüllt ein Unternehmen die KCC-Förderkriterien, kommt die Hilfe schnell, und nach drei Tagen findet das erste Coaching statt. Steigt ein Unternehmer in das Programm ein, kann er maximal 160 Coachingstunden wahrnehmen. Der Preis für die anfänglich noch kostenlosen Stunden steigt sukzessive an, bleibt aber bis zum Schluss subventioniert.
404 Unternehmen wurden seit 2008 auf diese Weise mit Geldern der Stadt und des Landes Berlin und EU-Mitteln gefördert. Der Berliner Senat dachte das KCC-Projekt erstmals 2005 an, weil nicht mehr übersehen werden konnte, dass Berlin ein Anziehungspunkt für Kreative ist und diese einen Wirtschaftsfaktor darstellen. Also wurde mit den Erfahrungswerten des Technologie Coaching Centers (TCC), das die Berliner Investitionsbank bereits seit 1998 betreibt, das KCC ins Leben gerufen.
Bewerben sich die Unternehmer für das Kreativprogramm, erörtern sie mit den ihnen zugeteilten Coachs meist Möglichkeiten der Finanzierung, beschäftigen sich mit Fragen der Organisation und des Marketings oder optimieren ihren Businessplan. Das Coaching bedeutet neben dem Tagesgeschäft einen gewaltigen Mehraufwand an Arbeit. Jede einzelne Stunde bedarf der Vor- und Nachbereitung.
Der Grafikdesignerin Esther Fabianski haben die Coachs Tipps für den Umgang mit Kunden gegeben, haben sie dabei unterstützt, ihre unternehmerischen Ziele genauer zu definieren und eine Finanzplanung aufzustellen. Vor allem aber wurde sie immer wieder motiviert, einen weiteren Schritt voranzugehen. „Das ist keine Zauberei, ich lernen jeden Tag etwas dazu und gehe die Dinge an.“ Und über einen Zeitraum von zwei Jahren sei das schon sehr effektiv.
Dauere das Coaching zwei Jahre, erklärt Ines Kretschmar, sei das schon recht lang. Eigentlich seien maximal sechs Monate dafür vorgesehen, jede Woche ein Coachingtermin. Doch sie setzt hinzu, dass das oft nicht aufgehe, da die Unternehmer auf Messen fahren oder im Ausland unterwegs seien, also ziehe sich die Phase der Betreuung dann doch hin.
Ein solches Intensivtraining ist sicherlich noch mehr als die Umsetzung einer Geschäftsidee. Denn immer ist der Gründer gefragt, sich zu verändern. Durch den Prozess des Coachings, so Esther Fabianski, die Logos, Werbemittel und Corporate Designs entwickelt, sei sie als Unternehmerin selbstbewusster geworden und als Person gewachsen.
KCC-Kunden sind mehrheitlich männlich, ihr Alter liegt zwischen 36 und 45 und sie haben einen Hochschulabschluss. Durchschnittlich besteht ein Gründungsteam aus 2,4 Personen, und über die Hälfte der gecoachten Unternehmen vertreiben ihre Produkte international. „Inzwischen werden wir oft kopiert, beispielsweise in Hamburg oder Potsdam“, erklärt Ines Kretschmar. Auch Werbung ist nicht nötig, denn meistens wird das KCC von Freunden oder Kollegen weiterempfohlen. Rund die Hälfte der eingehenden Bewerbungen können nicht fürs Coaching angenommen werden. „Früher hatten Unternehmen oft nur einen Steuerberater und hätten nie Hilfe von außen geholt“, erklärt so Kretschmar, „doch da hat es eine Trendwende gegeben.“