berliner szenen: Die gute Pasta Amatriciana
Das Überangebot an Pizza-, Thai-, Vietnam- und Falafel-Imbissen hat dazu geführt, dass ich mir, trotz des Lebens in mehreren WGs und einer Handvoll Beziehungen, in zwanzig Jahren nicht angewöhnt habe, selbst zu kochen. Eine Kochhilfe zu Hause während der Kindheit und ein Waldorfinternat, in dem weniger auf Kochkunst als auf die astrologische Beziehung zwischen Gemüse, Getreide und dem jeweiligen Wochentag acht gegeben wurde, taten ein Übriges, um mich über Jahrzehnte an Fast Food zu binden. Zum Glück sah ich die Auswechslung des in Kanistern zu- und abgelieferten Bratöls selten. Auch über die Bestandteile der so oft gegessenen Gerichte wusste ich nichts.
Ich entschied mich also, mein Essverhalten zu ändern. Ich ging zu zwei Kochkursen, wo ich um monströse Kochlandschaften herumstand, nichts aber für die schnelle Küche eines Großstadtsingles lernen konnte. Also musste ich wieder auf die Straße. Eine neue Essnische hatte in Schöneberg eröffnet. Ich ging hinein und stand vor einer riesigen Vitrine, in der helles Licht auf vielleicht zwanzig große weiße Schüsseln fiel. In eine weitere große Schüssel konnte ich mir einen Berg aus grünem Salat, Thunfisch, Mais, Gurkenscheiben, Tomatenvierteln, Eierhälften, Reis, Avocado, Bohnen, Lauch und dreierlei leichten Saucen aufhäufen lassen.
Ich vermisste jetzt schon meine großen heißen Teller Pasta Amatriciana oder Moussaka. Ich machte mir Sorgen, ob ich in zwanzig Jahren vielleicht an Food-Tankstellen Halt machen würde, um mir einen dicken Brei durch einen Schlauch in meinen Magen pumpen zu lassen. Die Foodbowl-Komposition jedenfalls schmeckte ziemlich indifferent. Ich war bei meinem Versuch, in Berlin anderes zu essen, also keinen Schritt weiter gekommen. Gabriel v. Loebell-Herberstein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen