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Archiv-Artikel

jessica-prozess Verständnislos vermessen

Es gibt wohl niemanden in dieser Stadt, den der Fall der verhungerten Jessica nicht zutiefst erschüttert hat. Hunderte Fragen schließen sich an das Schicksal des kleinen Mädchens an, zuvörderst die, wie Eltern ein wehrloses Kind derart zu Tode quälen können. Gestern gab Jessicas Mutter erste Antworten auf diese Fragen.

Kommentar von Elke Spanner

Was diese aber zu sagen hatte, war auf den Zuschauerbänken akustisch nicht zu verstehen. Und der Richter hat den aufgebrachten Zuschauern nicht etwa Gehör verschafft, sondern sie harsch darüber belehrt, dass sie kein Recht auf das verbale Verstehen des Verfahrens hätten. Die Öffentlichkeit war faktisch ausgeschlossen.

Nun gibt es zahlreiche Prozesse, in denen die Öffentlichkeit aus Gründen des Opfer- oder Jugendschutzes ausgeschlossen wird. Ein solcher Fall aber liegt hier nicht vor, im Gegenteil: Der Jugendschutz gebietet es sogar, öffentlich zu machen, wie es zu tödlicher Kindesmisshandlung kommen kann. Denn so können derartige Fälle zukünftig vielleicht verhindert werden.

Dem Jugendamt ist vorgeworfen worden, im Falle der verhungerten Jessica alarmierende Signale missachtet zu haben. Wie aber sollen die Sachbearbeiter künftig solche erkennen können, wenn sie nicht erfahren dürfen, wie sich in diesem Fall die Tragödie angedeutet hat?

Es ist vermessen von einem Richter, dieses Interesse der Öffentlichkeit zu missachten.