: War Sissi Hitlers Tochter?
„Bild“-Chef Julian Reichelt jetzt auf Führer-Trip
Irgendwann erwischt es fast jeden Chefredakteur. Wenn die Verkaufszahlen sinken, dann muss einer der fünf großen Knöpfe her, auf die man drücken kann, um die Auflage zu steigern: Kinder, Tiere, Sex, Religion und vor allem Hitler. Den Führer vorn aufs Blättchen geschraubt – und schon zieht der Satan persönlich die Zahlen aus dem Abgrund. Die Geschäftsführung ist froh, und der Stuhl des Chefredakteurs wackelt nicht mehr ganz so sehr. Ideal wäre ein Titel mit allen fünf Komponenten: „Hitler missbrauchte Jesu Welpe“. Aber da die Blattmacher so etwas heutzutage kaum noch hinbekommen, muss es genügen, wenn mit dem abgrundtief Bösen und dem Untenrum wenigstens zwei Elemente kombiniert werden: Hitler und Sex. So wie in der Montagsausgabe der Bild: „Romy Schneider – Meine Mutter schlief mit Hitler!“ Um Himmels willen?! Unsere Sissi ist doch nicht etwa die uneheliche Tochter von Hitler? Dann dürften wir ja nie wieder Weihnachten süße Sissi-Filme schauen! Doch es kommt alles noch viel komplizierter! Denn die längst verstorbene Romy Schneider vertraute sich einst ausgerechnet Alice Schwarzer an – in einem Interview für Emma 1976. Das ist zwar schon über vierzig Jahre her, aber deshalb zeigt Bild ein Foto, das schon vor fast achtzig Jahren aufgenommen wurde. Investigativ gelb eingekringelt, als wäre es eine sensationelle Entdeckung, steht da im Jahr 1941 Magda Schneider, Romys Mutter, neben dem leibhaftigen Hitler auf dem Obersalzberg. Du kriegst die Nazi-Tür nicht zu! Dabei kommt der ganze, längst bekannte bitterdumme Schmadder jetzt wieder aufs Frühstücks-Tapet, weil Alice Schwarzer die uralte Interviewgeschichte in einer Arte-Dokumentation aufwärmt, die demnächst ausgestrahlt wird. Und die Volks-Tröte Julian Reichelt kehrt die Krumen der Geschichte aus dritter Hand zusammen und bläst das Nichts auf zu einer Titelgeschichte. Wie tief sind die Verkaufszahlen von Bild eigentlich inzwischen gesunken? Babys, Katzen, Titten, Jesus und Hitler gehen tatsächlich immer. (mir)
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