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Archiv-Artikel

Radioaktivität kann man nicht filmen

ZEITBOMBE ATOMKRAFT Das Uranium Film Festival gastiert in diesem Jahr zum ersten Mal in Berlin

Die Filme zeigen, in wie vielen Bereichen die Atomkraft unser Leben durchdringt

Es gibt Themen, die lassen sich der Öffentlichkeit nur schwer vermitteln. Weil sie unangenehm sind und weil sie so lange schon aktuell sind, dass sich die Aufmerksamkeit erschöpft hat. Journalisten kennen das, Filmemacher auch. Norbert Suchanek ist ein Journalist, der ein Filmfest organisiert, das sich einem solchen Thema widmet: Sein „Uranium Film Festival“ zeigt ausschließlich Filme über Atomkraft und Radioaktivität.

„Darüber gibt es so viele Filme und sie werden so selten gezeigt. Wir versuchen, ihnen eine Plattform zu geben“, sagt Suchanek. Seit vielen Jahren lebt er in Brasilien, wo er das Filmfest 2011 gründete, dieses Jahr, vom 6. bis 12. Oktober, ist es erstmals in Berlin zu Gast (in den Kinos Eiszeit und Moviemento).

Vernachlässigtes Thema

Filmen eine Plattform geben, das ist gar nicht so einfach in einer Stadt wie Berlin, in der es jede Woche ein anderes Filmfest gibt. Bei der Eröffnungsvorstellung am Donnerstag kam kein einziger Besucher, zum darauf folgenden Film um 19 Uhr immerhin ein paar. Das ist schade, denn viele Filme des Festivals behandeln nicht nur ein zu oft vernachlässigtes Thema, sie sind auch sehr sehenswert. Vielfältig in ihren Blickwinkeln und ihrer Sprache erzählen sie mal sachlich und informativ, mal poetisch und assoziativ. Neben Dokumentationen sind auch Essay- und Trickfilme im Programm sowie einige Spielfilme.

Radioaktivität kann man nicht filmen, sie ist unsichtbar. Ihre Folgen sind dafür umso sichtbarer und um die geht es in den meisten Filmen. Sie zeigen, in wie vielen Bereichen die Atomkraft unser Leben durchdringt, von Hiroshima bis Fukushima, erzählen von Atomtests, der Bombe, von „abgereichertem Uran“ in Munition und von Uran im deutschen Trinkwasser („Gefährliches Trinkwasser“, Mittwoch, 19.30 Uhr, Moviemento).

Der größte Themenkomplex ist der Abbau des radioaktiven Metalls Uran, der in fast allen Regionen der Erde betrieben wird, bis 1990 auch in Deutschland. Vom Uranabbau der Sowjets in Annaberg in Sachsen erzählt das TV-Historiendrama „Der Uranberg“ mit Henry Hübchen (Montag, 17 Uhr, Eiszeit, in Anwesenheit von Produzent und Autor). Der um 19 Uhr folgende Dokumentarfilm „Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie“ arbeitet die Geschichte des Uranabbaus in der DDR auf (in Anwesenheit des Regisseurs).

Die Auswirkungen des Uranabbau sind immer verheerend und immer sind die Schwachen der Gesellschaft betroffen, die Armen, die indigenen Völker, deren Stimmen kein Gehör finden. Der indische Filmemacher Shriprakash erzählt im 1999 entstandenen Film „Buddha Weeps in Jadugoda“ von den Ureinwohnern in Indiens Uranabbaugebiet, die Opfer der Verseuchung sind (Dienstag, 18:45 Uhr, Moviemento).

Auch wenn Kritik an der Atomkraft in Indien immer noch ein Tabu ist, glaubt Shriprakash etwas bewirkt zu haben. „Ich konnte die einzelnen Gruppen der Betroffenen zusammenführen und ihre Position stärken. Der Film bekam viel Aufmerksamkeit und wird noch heute an Unis gezeigt“, sagt Shriprakash, der angereist ist, um seinen Film in Berlin vorzustellen. Eine 2007 erstellte Gesundheitsstudie bestätigte das erste Mal offiziell, was Prakash zeigt.

Den Abschluss des Festivals macht am Freitag die Dokumentation „Into Eternity“. Wie ein Science-Fiction-Thriller erzählt der Film in wunderschönen, bedrohlichen Bildern vom Bau des finnischen Atom-Endlagers Onkalo. Einmal mit radioaktivem Müll befüllt, soll es versiegelt werden und 100.000 Jahre überdauern. Ist es das, was von der Menschheit übrig bleiben wird?, fragt der Film. LISA GOLDMANN

■ „Uranium Film Festival“, bis Montag im Kino Eiszeit, von Dienstag bis Freitag im Kino Moviemento. Infos und Programm: uraniumfilmfestival.org