Visaausschuss: Union kann nicht loslassen

Er tagt und tagt und kommt zu keinem Abschluss. CDU/CSU droht mit Regierungskommission zum Visaskandal

BERLIN taz ■ Dieser Untersuchungsausschuss wird als der fleißigste seiner Art in die Geschichte eingehen. Nach TV-öffentlichen Marathonsitzungen bis in die Morgenstunden traf sich der Visaausschuss gestern erneut – wieder ohne Ergebnis. Die Regierungsfraktionen spielten herunter, die schwarz-gelbe Opposition sieht den fortgesetzten Visaskandal. Und kündigt an, eine Regierungskommission zur nachhaltigen Aufklärung des tausendfachen Visabetrugs seit 2000 einzurichten.

Dabei ist die Union ungemein stolz auf ihre Arbeit. Ein „großer Erfolg“ sei das parlamentarische Ermittlungsgremium gewesen, sagte dessen Vorsitzender Hans-Peter Uhl (CSU), weil es den „massenhaften Missbrauch von Visa förmlich dokumentiert“ habe. Unions-Obmann Eckart von Klaeden bedauerte hingegen, wegen der rot-grünen Blockadehaltung habe nicht alles beleuchtet werden können. Daher werde die Union im Falle eines Wahlsieges eine Regierungskommission zur weiteren Aufklärung der Visaaffäre einrichten. Es blieb allerdings offen, ob ein Visaskandal-Aufklärungsministerium gegründet werde.

In dem Minderheitenvotum von Union und FDP, das der taz vorliegt, ziehen die Oppositionsparteien erstaunlich nüchtern Bilanz. Die Visapolitik unter Rot-Grün sei eine der Ursachen für erleichterte Einschleusung tausender Menschen gewesen, von denen eine erhebliche Zahl zu Prostitution und Schwarzarbeit gezwungen wurden.

Diese Fakten bestreitet inzwischen niemand mehr, auch nicht die Bundesminister, ohne deren Wissen, aber in deren politischer Verantwortung die Visapraxis auf undurchschaubare Weise Ende 1999 gelockert worden war. Joschka Fischer sagte, Erlasse seines Außenministeriums hätten „fatale Folgen“ gehabt. Otto Schily räumte ein, Mitarbeiter hätten „auf unterer Ebene“ Kompetenzen überschritten.

Im Ausschuss wurde gemogelt, was das Zeug hält. Rot-Grün wollte den Ausschuss abbrechen – weil sonst angeblich die Zeit nicht gereicht hätte, einen ordnungsgemäßen Abschlussbericht zu verfassen. Nun liegt bereits nach wenigen Wochen ein 1.000-seitiges Dokument vor. Union und FDP sind nur an Schuldzuweisungen gegen Rot-Grün interessiert; sobald die schwarz-gelbe Visapraxis ins Visier gerät, lässt der Spürsinn der Opposition stark nach. Zunächst aber darf nun der Bundestag über den Visaskandal diskutieren – in seiner letzten Sitzung vor der Wahl am 8. September.

CHRISTIAN FÜLLER