brief des tages
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Kein Monster, aber ­AfD-Wähler*in

„Hilfe, mein Kumpel wählt die AfD“, taz vom 20. 7. 18

Ich habe einige Freunde, die genau die Si­tua­tion erleben. Auf Familienfeiern oder beim Junggesellenabschied geht es um Geflüchtete und Asylpolitik. Wenn die andere Person über Ausländer und „Wirtschaftsflüchtlinge“ herzieht, ist das nur schwer auszuhalten. Toll, dass Sie davon abraten abzuwerten und auf sachliche Argumentation pochen. Mir fehlt ein Punkt total: das Zuhören und Verstehen. Emotionale Befindlichkeiten können im ersten Schritt nicht sachlich wegdiskutiert werden. Dafür braucht die andere Seite erst einmal das Gefühl, verstanden zu werden. Ich teile Ihre Überzeugung nicht, dass ich nur sachlich genug argumentieren muss, dann wird die andere Person schon verstehen, dass sie unrecht hatte. Es braucht eine ergebnisoffenere Form des Austauschs. Dann kann ich vielleicht sogar begreifen, dass der/die AfD-Wähler*in gar kein Monster ist, sondern immer noch die Person, mit der ich mal gern Junggesellenabschiede verbracht habe. Eine Person, die Bedürfnisse hat, die nicht erfüllt sind, und deren Bedürfnisse ich annehmen kann, ohne mit ihren Lösungsansätzen übereinzustimmen. Tobias Tümler, Berlin