die woche in berlin
: die woche in berlin

An der Humboldt-Universität liefern sich Präsidentin und Studierendenvertreter einen erbitterten Kampf. Die Landes-SPD verliert immer weiter an Zustimmung der Wähler. Ferienwohnungen müssen nun offiziell registriert sein – aber das juckt niemanden. Und eine aktuelle Hausbesetzung erinnert an alte Hausbesetzerzeiten

Ohne Namen geht es nicht

HU-Leitung klagt gegen Studierende

Wenn eine Uni-Leitung gegen ihre eigenen Studierenden klagt, dann läuft an der Hochschule etwas grundlegend schief. So geschehen an der Humboldt-Universität (HU): Am Dienstag wurde bekannt, dass Präsidentin Sabine Kunst juristisch gegen den ­RefRat vorgeht – so heißt die Studierendenvertretung an der HU. Kunst will erzwingen, dass Vor- und Zunamen von ReferentInnen offengelegt werden. Hintergrund ist ausgerechnet eine Anfrage der AfD im Abgeordnetenhaus, die nicht nur auf Infos zu Finanzen und Wahlen Berliner Studierendenvertretungen abzielt, sondern eben auch Namen abfragt. Was der RefRat ablehnt.

Die HU-Präsidentin liefere ihre eigenen Studierenden „an die Faschisten“ aus – so wird das Geschehen vonseiten des Ref­Rats nun kommentiert. Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn tatsächlich werden demokratische Abläufe an einer Hochschule schwierig, wenn AmtsinhaberInnen nicht erkennbar sein wollen. Woher sollen die Studierenden überhaupt wissen, wen sie da wählen, wenn nur ein Vorname auftaucht? Der RefRat argumentiert, die Namen seien an der Uni sehr wohl bekannt – angesichts über 35.000 Studierenden in knapp 190 Studiengängen eine eher steile These.

Für Hochschulpolitik setzen sich oft nur ein Bruchteil der Studierenden ein. Umso wichtiger ist es, dass nicht der Eindruck von Klüngelei aufkommt. Wer hat welchen Job? Das transparent zu machen würde dem Ansehen des Gremiums auch uniintern sicherlich helfen. Zumal der RefRat eine Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Mitteln erhält.

Keine Frage, Bedrohung durch Rechte darf man nicht herunterspielen. Für all jene 35.000 Betroffenen, deren Namen die Polizei in den vergangenen Jahren auf einer rechten Liste fand (taz berichtete), ist sie verständlicherweise beängstigend. Dass AmtsträgerInnen deshalb schon prophylaktisch nicht mehr ihren Namen nennen, kann aber nicht die Lösung sein. Mal abgesehen davon, dass jedeR, der wirklich den Nachnamen eineR ReferentIn herausfinden will, das auch so schaffen dürfte.

Trotz alldem ist es ein Armutszeugnis, wenn sich eine Uni-Leitung nicht anders zu helfen weiß als mit einer Klage. Es zeigt, was für ein Klima an der HU inzwischen, mitten im Hochsommer, herrscht: ein sehr frostiges. Antje Lang-Lendorff

Es geht immer noch schlimmer

Die Berliner SPD ist weiter auf Talfahrt

Märchenhafte 44 Prozent Unterstützung für die SPD kann man in den Umfragen aus zwei Jahrzehnten finden, die die lesenswerte Internetseite ­wahlrecht.dezusammengetragen hat. Allerdings war das Anfang 1999. Doch auch noch Ende 2015 ist da von heute schier unglaublichen 30 Prozent für die Sozialdemokraten zu lesen. Unglaublich deshalb, weil die SPD in der jüngsten Umfrage vom Dienstag nur noch auf wenig mehr als halb so viel gekommen ist. 17 Prozent – weniger gab es für die Partei noch nie.

Schon das Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl vor knapp zwei Jahren hatte die Genossen geschockt. 21,6 Prozent reichten zwar noch, um stärkste Fraktion im Parlament zu werden, waren aber dennoch historischer Tiefststand bei Wahlen. 20 Prozent aber schien endgültig die Marke zu sein, die nicht unterschritten werden dürfte. Jetzt aber ist das längst geschehen. Mit 17 Prozent liegt die SPD nun nur noch vier Prozentpunkte vor der AfD.

Politiker verweisen gern darauf, dass das ja alles nur Momentaufnahmen seien. Und tatsächlich kam die SPD, nur einen Monat nachdem sie 2004 in einer Umfrage auch schon mal so schlecht wie heute dastand, schon wieder auf 22 Prozent. Schlimmer geht’s also nimmer? Doch. Denn es gibt keinen Punkt in der Zukunft, ab dem es für die SPD sicher wieder besser wird. So, wie eine ausgezehrte Polarexpedition nur bis zu einem nahen rettenden Verpflegungsdepot durchhalten muss, um danach wieder fit zu sein.

Die Frage nach dem Warum haben diverse echte und selbst ernannte Experten schon beantwortet. Im Kern waren sich viele einig, dass die SPD nicht als nah genug dran an den Alltagsthemen wie Wohnen, öffentlicher Nahverkehr und Sicherheit wahrgenommen wird. Das hat schon etwas Tragisches, denn gerade Parteichef Michael Müller – der Glamourfreie – ist einer, der für den Normaloblick steht. Sein Problem ist, dass nicht zählt, was er für die SPD innerhalb der rot-rot-grünen Koalition fordert, vor allem beim Wohnungsbau, sondern das, was der Senat schließlich zustande bringt.

Passiert da zu wenig, bleibt das zwangsläufig an der formal stärksten Kraft einer Koalition hängen und am Regierungschef, dem viele dann mangelnde Durchsetzungskraft vorwerfen. Doch womit soll Müller seine Bündnispartner Linkspartei und Grüne unter Druck setzen können? Platzt die Koalition, hat die jetzt bei 22 Prozent liegende Linkspartei bei Neuwahlen beste Chancen, mit Klaus Lederer erstmals den Regierenden Bürgermeister zu stellen. Es dürfte für die SPD also erst mal weitergehen wie bisher – nämlich schlimmer. Stefan Alberti

Der fortgesetzte Rechtsbruch

Neues Gesetz für Ferienwohnungen

Eigentlich ist es ja das Schöne an Berlin, dass jedeR machen kann, was er oder sie will. Die einen können regulieren und verbieten (rauchen, parken, wild pinkeln), die anderen machen mit alldem einfach trotzdem weiter. Und am Ende können alle irgendwie glücklich und zufrieden sein. Im Grundsatz könnte das auch für das Thema Ferienwohnungen gelten. Der Senat bemüht sich nach Kräften, dem Gesetz zum Zweckentfremdungsverbot zum Durchbruch zu verhelfen, und Tausende Anbieter vermieten weiter ungehemmt ihre Wohnungen an Touristen.

Und, nun ja, genauso läuft es. Zwar dürfen seit dem 1. August nur noch Ferienwohnungen und -zimmer angeboten werden, die von den Bezirken genehmigt und mit einer individuellen Registriernummer versehen wurden. Doch die Seite des größten Anbieters Airbnb ist weiterhin voll von offensichtlich illegalen Angeboten ohne eine solche Nummer. Die wenigen Ausnahmen von Ferienwohnungen, die nicht als Wohnraum gelten, also nicht genehmigt werden müssen, ändern daran nichts.

Ginge es nur um die persönliche Freiheit der Anbieter, man könnte sich fast damit zufriedengeben. Typisch Berlin eben. Aber so ist es nicht. Es geht um den schamlosen Egoismus vieler, Wohnraum maximal zu verwerten, während kaum noch bezahlbare Wohnungen zu finden sind. Hotelgleiche Appartements, die das ganze Jahr über vermietet werden, sind keine Seltenheit.

Und es geht um Airbnb, einen global agierenden Konzern, der mehr Übernachtungen vermittelt als die fünf größten Hotelketten der Welt zusammen. Und dessen Profite unter anderem daraus resultieren, dass er seine eigenen Regeln zu machen versucht und Stadtverwaltungen weltweit auf der Nase herumtanzt.

Zwar hat Berlin geregelt, Ferienwohnungen grundsätzlich zu verbieten, nur im Ausnahmefall zu gestatten und bei Verstößen die Anbieter zu bestrafen. Doch mit dem Gesetz wurde es nicht geschafft, Airbnb und seine Konkurrenten an die Kandare zu nehmen. Eine Auskunftspflicht über die Nutzer wäre ebenso wichtig wie Strafmaßnahmen, wenn die Seiten illegale Angebote verbreiten. Es verstößt nicht nur derjenige gegen das Gesetz, der etwas illegal anbietet, sondern auch derjenige, der dabei hilft und daran verdient. So sollte es zumindest sein.

Nur mit der Verfolgung der Nutzer wird sich das Problem der Zweckentfremdung von Wohnraum nicht lösen lassen. Am Ende hilft wohl nur die mallorquinische Lösung: das Totalverbot von Ferienwohnungen.

Erik Peter

Am Ende hilft wohl nur die mallorqui­nische Lösung: das Totalver­bot von Ferien­wohnungen

Erik Peter über die seit dem 1. August geltende Pflicht, Ferienwohnungen registrieren zu lassen

Ein altes Lied vom Häuser-­kampf

Besetzen und räumen wie eh und je

Wer stört denn den Hausfrieden?“ So fragten vor bald 30 Jahren die angeklagten Besetzer eines Kreuzberger Hauses auf einem Flugblatt. Für sie war die Sache sonnenklar. Wer Häuser in Zeiten der Wohnungsnot jahrelang leer stehen und dann die Instandbesetzer brutal räumen lässt, ist der Störer.

In dieser Woche hieß es wieder (oder immer noch?): „Reden wir über Hausfrieden.“ AktivistInnen der #besetzen-Bewegung besuchten die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, die an Pfingsten ein zuvor jahrelang leer stehendes, dann aber frisch besetztes Haus hatte räumen lassen. 56 Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs waren die Folge. Gegen diese Kriminalisierung protestieren die BesetzerInnen wie schon ihre Vorbilder aus der Hochzeit der Besetzungen in Kreuzberg.

Doch nicht nur auf dieser Seite sind gewisse Kontinuitäten zu beobachten. Stadt und Land schaut auf eine lange Tradition mehrjährigen Leerstandes und repressiven Vorgehens gegen Besetzungen zurück.

Im Winter 1981 zum Beispiel stellte das Unternehmen einen Hausfrieden auf besonders kreative Weise her: Bei eisigen Außentemperaturen wurden in einem besetzten Haus kurzerhand sämtliche Öfen und Heizungsanlagen zertrümmert. Das Haus hatte vor der Besetzung Jahre leer gestanden. Stadt und Land wartete damals auf eine Genehmigung für Abriss und Neubau. Die wurde lange nicht erteilt, da der Bestand noch bewohnbar gewesen war. Zumindest bis zur Ofenaktion.

Solch hemdsärmelige Besitzstandwahrung mag nicht mehr ganz dem Stil der Zeit entsprechen, die grundsätzliche Gemengelage hat sich jedoch kaum verändert. Wie auch in den Achtzigern ist Wohnraum ein knappes Gut, dessen Vermarktung nach Neubau oder Sanierung weit über dem Bedarf mehr Rendite verspricht. So können Leerstand und Verfall noch immer profitabel für Eigentümer sein, egal ob privat oder öffentlich. Heute wie damals sind sich die Besetzer sicher, im Recht zu sein. Polizei und Justiz aber schützen Eigentümerinteressen weiterhin mit großer Energie.

Wer also stört den Hausfrieden? Und wie wird er nachhaltig geschützt? Wie kann einer der größten und dauerhaftesten sozialen Konflikte gelöst werden? Die Antwort auf diese Fragen kann auch in Zukunft nur eine politische sein. Auf dem jahrzehntealten Besetzerflugblatt fällt die Antwort übrigens recht knapp aus: „Solidarität hilft siegen!“

Daniél Kretschmar