berliner szenen: Am Treptower Ozean
Kurz hinter Neukölln liegt das Meer. Da, wo die Ziegrastraße endet und das Kiehlufer kommt, wo Treptow nicht weit ist, da muss es sein. So viel scheint klar, wenn man an diesem Sommerabend auf der ummauerten Terrasse des Marin Fisch und Fleisch Restaurant sitzt, umgeben von Trauben, Apfelbäumen, Lampions, einer blau gestrichenen Mauer; nur den Horizont sieht man von hier aus. Und ein paar Baukräne, die das Bild stören. Trotzdem: Dahinter, so stellt man sich vor, kann nur das Meer liegen, da brechen die Wellen in der Treptower Bucht.
An zwei Abenden an diesem Wochenende bin ich dort, es ist der place to be für alle Daheimgebliebenen. Dabei war ich nur hergekommen, weil ein Avantgardemusikfestival hier stattfand. Und dann treffe ich auf diese merkwürdige Konstellation: ein türkisches Restaurant mit dieser prächtigen Terrasse, ein Sommergarten mitten im Industriegebiet, mit freiem Blick auf den endlosen Himmel. Und dazu Synthesizermusik, Spoken-Word-Performances und Experimentelles. Die Stammbesucher mit Fußballerfrisuren gucken verdutzt, während sie ihr Lammfleisch verzehren.
Ich bekomme Alster und Teigröllchen mit Tsatsiki serviert. Vorne spielt gerade ein Krautrockduo. Im Hintergrund brät der Koch mit breitem schwarzem Schnäuzer Fisch und Fleisch auf dem Grill. Der Koch wippt im Takt mit. Ich tunke die Röllchen ins Tsatsiki, schaue auf die Kondensstreifen im weiten blauen Himmel. Die Musik geht bis tief in die Nacht. Nachbarn, die sich beschweren, gibt es hier nicht, sagt die freundliche, hübsche Frau an der Theke.
Ein Wochenende lang bin ich verzaubert von diesem Ort. Draußen geht eine Mutter mit Kind vorbei. „Was ist denn da los?“, fragt die Mutter. Das Kind antwortet nicht. Ich bin sicher, die beiden gehen Richtung Strand.
Jens Uthoff
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