Liebhaber des Anachronismus

Super Acht war in den 60er-Jahren eine Neuheit und das Topmaterial für private Filme. Aber es gibt immer noch Fans. In Bremen findet am Freitag der 25. Super-Acht-Abend statt. Jeder kann einen Film einreichen

Oldschool-Selfie: Der Regisseur Reinhard Westendorf filmt sich selbst Foto: Reinhard Westendorf

Von Wilfried Hippen

Das Filmen im Super Acht-Format war schon in den späten 80er-Jahren des letzten Jahrtausends ein Anachronismus. In den 60er- und 70er-Jahren waren die Filme, die mit einer damals recht teuren Kamera aufgenommen wurden, das am meisten verbreitete Speichermedium für bewegte Bilder im Privatgebrauch.

Damals wurden in Deutschland etwa 250.000 der Kameras, die man mit einer Kodak-Kassette auflud, verkauft. Zusätzlich gab es zwei Millionen Projektoren, auf denen Filmfans und Hobbyregisseure Privatfilme von Urlauben, Hochzeits- oder Weihnachtsfeiern, aber auch gekaufte Kurzversionen von Kinoerfolgen und erotische Filmchen vorführten. Mit dem Siegeszug der VHS-Kassette schien dieses Medium aber bald unpraktisch und teuer. Einige Filmenthusiasten und Nostalgiker halten jedoch bis heute daran fest.

Ein Grund dafür ist der spezielle Look von auf Super-Acht-Material gedrehten Filmen. Körnig, oft ein wenig verwackelt und immer leicht unscharf haben sie eine Ästhetik, die unmittelbar das Zeitgefühl der 70er-Jahre heraufbeschwört. In Werbefilmen und Musikvideos wird dieses Stilmittel auch heute noch gerne verwendet. Inzwischen gibt es eine kostenlose App, die das Aussehen von Super-Acht- Filmen komplett mit Farbstich und Überbelichtungen simulieren kann.

Auch manche Filmemacher nutzen das veraltete Material noch. Der kanadische Regisseur Guy Maddin gibt damit seinen Filmen eine historisch wirkende Patina. Der avantgardistische Filmemacher Herbert Achternbusch hat seine letzten Filme auf Super Acht gedreht, weil er schlicht kein Geld für das teure 35-Milimeter-Material aufbringen konnte. Steven Spielberg und J. J. Abrams inszenierten ihre ersten Kurzfilme auf Super Acht und widmeten dem Material mit dem Spielfilm „Super 8“ im Jahr 2011 sogar eine Hommage, in der Jugendliche mit ihrer kleinen Plastikkamera einen Außerirdischen filmen.

Auf Festivals werden kaum noch Super Acht-Filme eingereicht, aber es gibt einen Filmkünstler in Norddeutschland, der unbeirrt weiter solche Filme dreht: Der Braunschweiger Stefan Möckel sieht sich als „semiprofessioneller Super-Acht-Filmemacher“. 30 Jahre lang verdiente er sein Geld als Realschullehrer, um nach Feierabend oder in den Ferien eine Unmenge von meist nur ein- bis zweiminütigen Super-Acht-Filmen zu produzieren. Jetzt ist er Rentner und lebt in der Türkei, doch Filme macht er immer noch – bisher sind es rekordverdächtige 439 Stück. Ihm reicht eine einfache Idee für einen Film: In „Der Fußballfan“ sieht man Möckel in Nahaufnahme mit kleinen Fußbällen auf den Augen. In „Bauchtanz“ zeigt er seinen nackten Bauch im Zeitraffer, sodass die Atembewegung wie ein schnelles rhythmisches Zittern wirkt.

Der Osnabrücker Amateurfilmer Reinhard Westendorf filmt zwar immer noch ein paar Rollen pro Jahr, aber den letzten Film dieses Formats veröffentlichte er 2006. In seiner Filmografie finden sich so schöne Titel wie „Mein wunderbares Klo“ und „Ein Fisch namens Thun“.

Westendorf spricht immer noch mit Begeisterung über das Medium, wenn er etwa schildert, wie gespannt er immer auf „die gelben Päckchen in der Post“ gewartet habe, in denen die entwickelten Filme zurückgesendet wurden. „Das war immer wie Weihnachten“, sagt er. Denn dies ist eine der Besonderheiten beim Arbeiten auf Super Acht: Man wusste lange nicht, was man überhaupt aufgenommen hatte, denn die belichtete Kassetten wurden in einem Studio von Kodak entwickelt, und dann erst wurde der Film sichtbar.

Auch die Filmemacher haben keine Ahnung, ob ihre Filme gelungen sind oder auf ihnen – was leider öfter passiert – alles weiß oder schwarz ist

Diese Verzögerung macht auch den Reiz der Super-Acht- Abende aus, die das Bremer Filmbüro und das Kommunalkino veranstalten, und die seit vielen Jahren zu den Attraktionen des sommerlichen Kulturfestivals „Breminale“ zählen. Am kommenden Freitag findet die Veranstaltung zum 25. Mal ab 23 Uhr im „Luftschloss“ statt. Was auch speziell daran ist: dass vor der Vorführung noch niemand die Filme gesehen hat. Auch die Filmemacher haben keine Ahnung, ob ihre Filme gelungen sind oder auf ihnen – was leider öfter passiert – alles weiß oder schwarz ist.

Die jungen Filmemacher haben meist wenig und oft gar keine Erfahrung mit dem Medium. Da man Belichtung und Schärfe genau berechnen und einstellen muss, ist die Möglichkeit, etwas falsch zu machen, groß. Doch jeder, der sich traut, kann einen Film für das Programm beisteuern. Die Filmkassette stellt das Filmbüro, auch eine Kamera kann man dort ausleihen.

Nach den Aufnahmen werden die Kassetten zum Entwickeln geschickt. Erst am Abend der Aufführung wird feierlich das Postpäckchen geöffnet und der Film in den Projektor eingelegt. Musiker begleiten jeden Film live – sie müssen gut improvisieren, denn auch sie sehen die Bilder ja zum ersten Mal. Das ist schönstes Wundertütenkino und selbst wenn bei einem Film alles schiefläuft, bleibt der Trost, dass er nach drei Minuten schon vorbei ist.

Die Studentin Maximiliane Scheller will beim nächsten Super-Acht-Abend ihren dritten Film zeigen. Sie sagt: „Das Schönste ist, dass man pro Film nur einen Versuch hat.“ Sie hat einen Handlungsablauf aus mehreren Kameraperspektiven gefilmt – ob das geklappt hat, wird sich Freitagabend auf der Breminale zeigen.