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Archiv-Artikel

Das Fernsehen lernt laufen

Ab heute präsentiert die Internationale Funkausstellung eine neue Technik, um mit dem Handy Fernsehen und Radio empfangen zu können. Kosten: 5 Euro im Monat

BERLIN taz ■ Internet, Fotos, Musik, Termine: heutige Handys sind zu mehr als nur zum Telefonieren da. Was Handys in Zukunft können, ist auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin, der weltweit größten Messe für Unterhaltungselektronik, bis Mittwoch zu sehen: Fernsehen fürs Handy, einfach zum Glotzen wie zu Hause oder zum Mitmachen bei Quiz-Sendungen, Televoting oder E-Shopping.

Pech nur für die etwa 70 Millionen Handys in Deutschland, dass sie für die bewegte Bilderwelt nicht taugen. Ein neue Gerätegeneration ist dafür nötig, die wie ein Mini-Fernseher aussieht: etwas kleiner und kaum dicker als eine CD-Hülle, wird fast ihre gesamte Fläche von einem berührungsempfindlichen Bildschirm ausgefüllt.

Mit dem auf der IFA installierten Sendernetz für das Handy-TV lassen sich zunächst 15 Fernsehprogramme und 20 Radiostationen in digitaler Qualität empfangen. Der Schlüssel für das neue Handy-Fernsehen heißt DVB-H (Digital Video Broadcasting-Handheld), ein neuer digitaler Sendestandard, der auf dem vor drei Jahren in Berlin eingeführten DVB-T-Standard aufbaut. Er braucht wenig Strom und gilt als wenig störanfällig. Programmanbieter, Handynetzbetreiber und Gerätehersteller wittern im Handy-Fernsehen eine sprudelnde Einnahmequelle: Laut mehrerer Studien stehen über 70 Prozent der Befragten diesen Angeboten aufgeschlossen gegenüber. „Viele Bürger würden monatlich 10 bis 20 Euro für Fernsehen auf dem Handy bezahlen“, sagte Marktforscher Prof. Klaus Goldhammer der taz.

Noch ist das System nicht endgültig standardisiert. Bis zur Markteinführung des Sendeverfahrens Anfang 2007 müssen noch einige Hürden genommen werden. „Entscheidend ist eine bundesweite Frequenz für DVB-H. Alle Beteiligten haben ein Interesse an einer bundesweiten Versorgung“, so Timo von Lepel von T-Systems. Die Frequenzvergabe könnte zur Achillesferse des Handyfernsehens werden. Denn diese ist Ländersache – und medienpolitisch brisant. Im Gegensatz zu den norddeutschen Ländern sind zum Beispiel Bayern und Nordrhein-Westfalen bei der Frequenzvergabe eher den privaten Sendern gewogen.

Ebenfalls wird noch über ein Finanzierungsmodell der neuen Dienste und des Sendernetzes gefeilscht, die die Interessen der öffentlich-rechtlichen Sender und der Pay-TV-Anbieter unter einen Hut bringt. Branchenkenner rechnen beim Handy-Fernsehen mit einer monatlichen Grundgebühr von etwa 5 Euro, in der Free-TV-Programme enthalten sind. Für zusätzliche Leistungen wie Pay-per-view, Musikclips, Video-on-demand und die Nutzung des Telefon-Rückkanals muss extra bezahlt werden.

Schließlich ist die Entscheidung für DVB-H als künftigen Sendestandard noch gar nicht gefallen. Es gibt ein Konkurrenzverfahren: DMB (Digital Mulitmedia Broadcasting) gilt zwar als technisch unterlegen. Es braucht mehr Sendeanlagen und kann dennoch nicht so viele Programme übertragen. Dafür ist es allerdings sofort einsatzbereit. Denn es baut auf dem erprobten digitalen Radio auf.

DMB konnte einen Erfolg bereits verbuchen: 2006 soll es für die Fußball-WM genutzt werden. Die Spiele werden voraussichtlich im DMB-Standard für mobile Geräte übertragen. Der Haken: Fans, die unterwegs nicht auf die WM verzichten wollen, müssen sich einen extra DMB-Empfänger kaufen. Der könnte ab 2007 durch DVB-H schon wieder überholt sein. TARIK AHMIA