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Archiv-Artikel

„Wagner ist der Größte!“

Joey DeMaio ist Bassist und Chef der – laut Guinness-Buch der Rekorde – „lautesten Band der Welt“, Manowar. Auf der Bühne ein martialischer Macho, entpuppt er sich im Gespräch als promovierter Gentleman

INTERVIEW CORINNA STEGEMANN UND MAX LAMPIN

Joey DeMaio gründete 1982 die New Yorker Heavy-Metal-Band Manowar. Den eigenen Stil beschreibt die vierköpfige Gruppe als „True Metal“. Man tritt bevorzugt in engen Lederklamotten auf und schmückt die Platten- und DVD-Cover fast ausschließlich mit Muskelmännern, Feuersbrünsten und nackten Frauen. Bei ihren Konzerten, einer Melange aus bombastischer Dekoration, pyrotechnischem Sturmgewitter, schmerzenden Bassläufen und symphonischen Einlagen, rauschen die vier martialisch aussehenden Vorzeigemachos mit schweren Harleys auf die Bühne. Manowar, erläutert DeMaio im taz-Gespräch, reanimieren den Spirit der eigenen Adoleszenz. Wie alt die Musiker tatsächlich sind, ist eines der ungelüfteten Geheimnisse des Heavy Metal.

taz.mag: Herr DeMaio, wir waren ein wenig beklommen, Sie zu treffen. Dabei wirken Sie jetzt, nach dem Konzert, sehr zuvorkommend.

Joey DeMaio: Es ist wirklich lustig. Viele Leute halten uns für Tiere oder denken, wir wären dumm, aber kaum jemand weiß, dass ich einen Doktortitel in Musikwissenschaften habe und zum Ritter von Malta geschlagen wurde.

Wer hält Sie denn für ein Tier?

Ziemlich viele Leute! Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, die vor wenigen Tagen passierte. Eine Freundin von mir lebt in Nürnberg und erzählte einem Bekannten, dass sie einen Freund hat, der Musiker ist. Der Bekannte sagte: Oh, interessant. Was für ein Musiker ist er denn? Sie: Er spielt in einer Heavy-Metal-Band. Er fragte: Wie heißt diese Band? Sie: Manowar. Er: WAS? Manowar? Das sind doch alles Tiere!! Welcher aus der Band ist denn dein Freund? Als sie sagte, dass ich das bin, ist er völlig ausgeflippt und sagte: Joey? Das ist doch der Schlimmste und Fürchterlichste von allen! Ihr seht: Das ist unser Image.

Aber Sie spielen ja auch gerne mit diesem Image und bedienen es vorzüglich. Man muss sich nur Ihre DVDs anschauen – da geht es zu wie in Sodom und Gomorrha. Da wird gesoffen und geflucht, es kommt zu sexuellen Ausschweifungen …

Natürlich! Ihr müsst euch das so vorstellen: Mitglied von Manowar oder Fan von Manowar zu sein ist wie eine Lizenz, wieder fünfzehn zu sein. Ein fünfzehnjähriger Junge oder ein fünfzehnjähriges Mädchen. Erinnert ihr euch noch, wie es war, als ihr fünfzehn wart? Ich erinnere mich noch gut: Es war furchtbar. Die Eltern verstehen einen nicht, die Lehrer sind Arschlöcher. Da flüchtet man gern in eine Fantasiewelt, die von Drachen, Helden und Bösewichten bevölkert ist. Da kann man selbst zum Helden werden, Schlachten schlagen, Krieger sein … Wir geben 300 Prozent für unsere Fans, damit sie für zwei, drei Stunden mal die ganze Scheiße um sich herum vergessen und wieder fünfzehn sein und Spaß haben können.

Apropos: Nach Ihrer ersten Platte im Jahr 1982 wurden Sie von der Plattenfirma gleich wieder gefeuert – und den Vertrag bei der neuen Company sollen Sie mit Ihrem eigenen Blut unterschrieben haben. Wieso?

Es stimmt, die erste Plattenfirma ließ uns fallen, weil sich unser erstes Album, „Battle Hymns“, in den USA schlechter verkaufte als erwartet. Also mussten wir uns nur drei Wochen nach der Veröffentlichung der Platte schon nach einer anderen Firma umschauen. Den neuen Vertrag unterschrieben wir dann mit unserem Blut, um zu zeigen, dass wir alles, wirklich restlos alles geben würden. Für die Firma, aber vor allem für unsere Fans – sogar unser Blut!

Wie würden Sie Ihre Musik charakterisieren?

Auf jeden Fall ist es positive Musik, weil ich ein positiver Mensch bin. Wenn ich morgens aufwache, dann sage ich mir nicht: „Gestern war ein Scheißtag, heute ist ein Scheißtag, und morgen wird auch ein Scheißtag.“ Die Welt ist doch sowieso schon voll mit schrecklichen Nachrichten und Scheiße. Wenn man eine Zeitung aufschlägt, findet man neunzig Prozent schlechte Nachrichten – das ist doch blöd! Ich finde, Zeitungen sollten immer zu 50 Prozent schlechte und zu 50 Prozent gute Nachrichten bringen. Ich rede mir morgens ein: „Hey! Das wird heute ein toller Tag werden.“ Deshalb mache ich auch positive Musik.

Sie schreiben praktisch alle Lieder im Alleingang. Darf man Sie als Chef der Band bezeichnen?

Kann man so nicht sagen. Vergleicht uns mit einem Footballteam! Jedes Footballteam hat einen Quarterback, aber ohne eine gute Mannschaft wäre der auch aufgeschmissen.

Dann sind Sie also der Quarterback von Manowar?

Na gut, so kann man es vielleicht sagen.

Spielen Sie gerne in Deutschland?

In Deutschland spielen wir am liebsten. Die deutschen Fans sind die treuesten, und sie haben einen sehr feinen Sinn für Humor. Es heißt immer, Deutsche hätten keinen Humor, aber das stimmt gar nicht. Es ist allerdings ein anderer Humor als der, den beispielsweise Amerikaner haben: Wenn ihr Amerikaner bei der Arbeit beobachtet, dann seht ihr, dass sie unentwegt platte Witze reißen oder sich Sprüche zuwerfen – während sie arbeiten. Sie witzeln ununterbrochen. Das ist ein lauter und etwas flacher Humor. Deutsche hingegen ziehen erst konsequent und konzentriert ihre Arbeit durch, aber wenn sie Feierabend haben, dann werden sie lustig.

Warum sind ausgerechnet die deutschen Manowar-Fans Ihre treuesten Anhänger?

Das kann ich euch sagen. Habt ihr jemals von einer Band namens The Beatles gehört?

Ja, wir hörten von ihnen.

Die Beatles kamen aus England, aber keiner dort wollte sie anfangs hören. Also gingen sie nach Deutschland und wurden dann berühmt. Und irgendwann sagten die Engländer: Haben wir da nicht eine tolle Band? Die Engländer wollen immer nur das hören, was gerade „in“ ist, die Deutschen hören, was ihnen gefällt, und bleiben diesen Bands ewig treu. Deutschland war das erste Land, in dem wir groß rauskamen und von den Leuten angenommen wurden. Das ist auch kein Zufall, schließlich hat ein Deutscher – Richard Wagner – den Heavy Metal erfunden.

Richard Wagner hat den Heavy Metal erfunden? Sagen Sie bloß, Sie mögen Wagner?

Ich mag Wagner nicht nur, Wagner ist mein Held und mein Idol. Er war der Größte. Leider haben ihn die Nazis auch für sich beansprucht und benutzt, das ändert aber nichts daran, dass er ein fantastischer Musiker und Komponist war. Sein Werk beeinflusst und inspiriert noch heute die Musik von Manowar. Ich habe mein Tonstudio „Haus Wahnfried“ genannt.

Eigentlich war hier, beim Earthshaker Festival in Geiselwind, ein Auftritt mit Christopher Lee geplant. Sind Sie traurig, dass er abgesagt hat?

Ja, klar! Sehr traurig. Er saß bei einem Drehtermin fest und konnte da nicht weg. Wir hatten geplant, dass Lee bei unserem Stück „Defender“ am Anfang mit seiner gewaltigen Stimme eine Textpassage spricht, die 1983 Orson Welles eingesprochen hat. Christopher Lee ist so ein feiner Mensch. Ich lernte ihn im Februar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rhapsody kennen. Mit denen hat er auch eine Platte gemacht. Ich schlug ihm die Zusammenarbeit vor, und er war sofort begeistert. Wir teilen die Begeisterung für Richard Wagner. Ich zeigte ihm das Festivalgelände hier, und wir sahen uns zusammen Nürnberg an – er war ganz versessen auf Nürnberger Rostbratwurst. Wirklich schade, dass er nicht kommen konnte – aber Dreharbeiten gehen vor.

Sind Sie eigentlich verheiratet?

Nein, ich habe noch nicht die richtige Frau gefunden. Obwohl ich die ganze Zeit nach ihr suche. Aber solange ich noch nicht verheiratet bin, bin ich der Freund ALLER Frauen! Egal ob dick oder dünn, blond oder dunkel, alt oder jung – ich liebe sie alle, alle sind toll.

Haben Sie auch manchmal mehrere gleichzeitig?

Wisst ihr, ich bin ein altmodischer Mensch, ich bin altmodisch erzogen worden – mein Vater war ein strenger Polizist –, und ich habe gelernt, die Sitten und Bräuche unserer Ahnen zu ehren und zu respektieren. Unsere Ahnen hatten früher auch mehrere Frauen gleichzeitig, das steht sogar in der Bibel, und wer bin ich, dass ich das nicht respektieren und es den Ahnen gleichtun würde. Die altmodischen Werte sind die guten Werte. Ich trage seit zwanzig Jahren dieselbe Lederjacke.

Was trinken Sie am liebsten?

Och, ich mag eigentlich alles, Sekt, Wein, Bier, Whisky, Schnaps – aber ich passe mich immer der Gesellschaft an. Wenn ich mit Damen ausgehe, dann trinke ich Sekt oder Wein, bin ich mit Bauarbeitern zusammen, dann trinke ich Bier, mit Schotten trinke ich Whisky, mit Pennern Schnaps usw. Aber es gibt einen eisernen Grundsatz: Mitglieder von Manowar stehen NIEMALS betrunken auf der Bühne!

Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihre allererste Band.

Gern. Ich war erst elf, als ich in meine erste Band kam. Der Bandleader war ein stadtbekannter Kleinkrimineller, der von meinem Vater, der ja Polizist war, schon mehrfach wegen Diebstählen oder Hehlerei verhaftet worden war. Er war schon siebzehn, die anderen Bandmitglieder waren auch alle zwischen fünfzehn und siebzehn Jahre alt – ich war mit Abstand der Jüngste. Doch der Boss hielt seine Hand über mich, wenn die anderen mich hänseln wollten, und er sagte: „Der Kleine hier ist motherfucking besser als ihr alle zusammen!“ So wurde ich also akzeptiert. Bald hatten wir unsere ersten Auftritte, und das Lustige war, dass mein Vater, der den Chef schon öfters verhaftet hatte, uns nun in seinem Auto zu diesen Gigs kutschierte. Dabei saß der Chef immer vorne neben ihm, und ich saß hinten. Bei einer dieser Fahrten drehte er sich plötzlich zu mir um und hielt mir eine Zigarette hin: „Hier, willste auch eine?“

Und Sie?

Ich erschrak zu Tode und stammelte mit hochrotem Kopf: „Aber nein, um Himmels willen, ich rauche doch nicht, ich bin doch erst elf!“ Ich fürchtete, mein Vater schlüge mich grün und blau, wenn er mitbekäme, dass ich rauchte. Aber der Chef sagte: „Ach komm, jeder von uns weiß, dass du rauchst, warum soll dein Vater es nicht wissen?“ So war er halt, aber ich habe damals sehr viel von ihm gelernt.

Wurde er auch berühmt?

Nein, er zog die Kleinkriminellenlaufbahn vor. Aber er brachte mich auf den „Highway to Hell“!

Im April touren Manowar durch Deutschland. Die Termine: Frankfurt (4. April), München (6. April), Stuttgart (7. April), Nürnberg (8. April), Berlin (10. April), Dortmund (11. April) CORINNA STEGEMANN ist Wahrheit-Redakteurin der taz, MAX LAMPIN Barmann aus Paris. Ihr Alter verraten auch sie nicht