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Hinter Bäumen ein Geheimdienstler

Das tak-Theater zeigte ein Stück von Anna Saavedra, das Olga Havlová aus dem Schatten ihres Mannes Václav Havel heraushebt

Von Katharina Granzin

Als sie 1996 mit nur 62 Jahren starb, trauerte das ganze Land. Olga Havlová, seit den 1950er Jahren Ehefrau des einstigen Dissidenten und ab 1993 First Lady an der Seite des tschechischen Präsidenten Václav Havel, war so etwas wie eine kulturelle und moralische Institution. Als Adres­satin der „Briefe an Olga“, die Václav Havel aus dem Gefängnis schrieb, ist sie in die Literaturgeschichte eingegangen. Doch sie war weit mehr als nur die stille Unterstützerin ihres Mannes. Während er im Gefängnis saß, organisierte sie kulturelle Undergroundaktivitäten. Später, als Präsidentengattin, engagierte sie sich im sozialen Bereich und setzte sich nachdrücklich für die Rechte Behinderter ein.

Im kleinen Kreuzberger tak-Theater war nun ein Stück der Brünner Dramatikerin Anna Saavedra zu sehen, das Olga H­avlová dezidiert aus dem Schatten ihres Mannes heraushebt und in den Mittelpunkt stellt. In Tschechien wurde die Inszenierung des Divadlo Letí (zu Deutsch: „Das Theater fliegt“) unter der Regie von Martina Schlegelová mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als Inszenierung des Jahres 2016.

Zum Glück ist die Produktion recht transportabel, denn die Besetzung besteht aus nur vier DarstellerInnen, und auch das Bühnenbild ist überschaubar. Im kleinen Zuschauersaal des tak bleibt so gerade noch genug Platz für eine Zuschauerreihe, die ganz vorne auf Isomatten auf den Boden platziert wird – es sind deutlich mehr Karten verkauft worden, als das Gestühl Plätze hergibt.

Der volle Titel des Stücks – „Olga – Horror im Hause Havel“ – erweist sich als unnötig reißerisch und bedeutet wohl eher ironisches Spiel mit den gängigen Aufmerksamkeitsmechanismen. Es ist nur der ganz normale Alltagshorror, der hier verhandelt wird – allerdings ein Alltag in unruhigen Zeiten. ­Einziger Handlungsort ist das Haus der Havels auf dem Lande; ursprünglich als Datsche gedacht, für lange Jahre aber ihr eigentlicher Wohnsitz. Rustikales, sparsames Mobiliar deutet das ­Datschenfeeling an, ein Stück grüner Kunstrasen ersetzt den Wald, in dem Olga Havlová oft spazieren ging und Pilze sammelte. Wenn hinter Bäumen ein Geheimdienstler auftauchen soll, so stellt sich der Darsteller einfach hinter einen Vorhang.

Dieses Verfahren, mit sehr wenigen äußeren Mitteln auszukommen, wirkt ebenso spielerisch pragmatisch wie bewusst verfremdend und setzt von Anfang an einen besonderen Gestus: Hier wirkt eine Sichtweise auf das Geschehen, bei der mehrere Betrachtungsebenen ineinander übergehen. Immer wieder treten die Bühnenpersonen aus ihrer Rolle heraus und kommentieren die Voegänge. „Diese Szene hätte man anders schreiben sollen“, sagt Olga an einer Stelle, oder, gleich zu Beginn: „Dies ist ein Stück über mich!“

Das gilt natürlich dem Gatten, Václav, der sich ganz automatisch in den Vordergrund geschoben und begonnen hat, über sich selbst zu monologisieren. (Rauchend, natürlich; denn insofern war Václav Havel der Helmut Schmidt Tschechiens. Das kennt man heute ja gar nicht mehr so. – „Ach, endlich wird mal wieder richtig geraucht!“, seufzt die Dame neben mir.)

Immer wieder treten die Bühnenpersonen aus ihrer Rolle heraus und kommentieren das Geschehen: „Diese Szene hätte man anders schreiben sollen“, sagt Olga Havlová an einer Stelle

Aber da klar ist, dass ein Stück über Olga auch nicht ohne ­Václav auskommen kann, wird der Gatte hier postmodern umgestaltet. Der selbstverliebte Charismatiker verschwindet zugunsten einer vielschichtig schillernden Bühnenpersona, die von drei Darstellern gleichzeitig verkörpert wird. Diese drei Männer (Jiří Böhm, Tomáš Kobr, Pavol Smolárik) sind auch ansonsten überaus vielseitig beschäftigt, denn sie spielen auch sämtliche übrigen Rollen: ­Václavs Mutter, seine Liebhaberinnen, Geheimdienstleute, Undergroundmusiker – und nicht zuletzt Olgas Hund. Der resultierende Effekt ist ein großer Spaß, auf eine ganz selbstverständliche Weise absurd, die der Dramatiker Havel sicher sehr zu schätzen gewusst hätte. Einzige Frau unter den vier DarstellerInnen ist Pavlina Štorková als Olga, der sie eine gleichsam abstrakte strenge Würde verleiht.

Dass diese besondere Inszenierung nach Berlin reisen konnte, ist dem Engagement des Vereins Drama Panorama zu verdanken, der sich der Übersetzung aktueller Dramatik vor allem aus kleineren verschrieben hat. Seit ein paar Jahren lädt der Verein jeden Sommer unter dem Label „Ein Stück: Tschechien“ aktuelle Inszenierungen aus dem Nachbarlandin die deutsche Hauptstadt ein.

Aus der Arbeit dieser Veranstaltungsreihe ist nun auch eine Buchveröffentlichung hervorgegangen. „Von Masochisten und Mamma-Guerillas“ lautet der Titel der Anthologie, die aktuelle Dramatik aus Tschechien erstmals gedruckt in deutscher Übersetzung zugänglich macht. Erschienen ist sie im Neofelis Verlag. Sie umfasst 416 Seiten und kostet 20 Euro. Unter anderem ist auch ein Stück der „Olga“-Autorin Anna Saavedra darin enthalten sowie ein Einakter der in Deutschland als Romanautorin bekannten ­Petra Hůlová.

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