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Dackel des DienstleistungskapitalismusKommt mir bloß nicht mit Convenience!

Kunden-Herren und Bring-Knechte: Der Trend zum Lieferservice steht für die Teilung der Gesellschaft

Von Alexander Diehl

Um den ganz naheliegenden Einwänden zuvorzukommen: Natürlich sind sie nicht versklavt, im technischen, im Lexikon-Sinn, diese meist jungen Leute, die da bei Wind und Regen oder in drückender Gluthitze auf vom Leben gezeichneten Rädern umhergurken, dicke Isolierwürfel auf dem Rücken, die das Vorwärtskommen auch kein bisschen leichter machen, schließlich weht im Norden der Wind ja stets von vorn.

Natürlich gehören sie, in solchem Sinne, weder den Anteilseignern der Foodoras, Deliveroos usw. usf. noch ihrer, also deren Kundschaft. Nein, diese Rädchen in der Maschinerie des Dienstleistungskapitalismus handeln völlig autonom, das sieht man doch: Ist doch keiner da, der ihnen mit der Pistole droht, oder? „Ganz angenehm, dass mir jemand sagt, was ich tun soll“, dringt es gar noch hinter wuchtigen Thermo-Boxen hervor – „So kann ich Verantwortung abgeben.“

Und wer nachfragt, was sie feilbieten, wer also basale Handlungen wie die, noch selbst das Haus zu verlassen, zum Gegenstand macht von Einpreisung und Tausch und Wertschöpfung: Der ist doch kein Sklavenhalter! Der ermöglicht es doch vielmehr, dass Menschen von eigener Hände Arbeit existieren können – Leben wird er, der Kunde, es vielleicht doch nicht nennen wollen, was er da mitkriegt vom Dasein seines schwitzend die Treppe hinauf eilenden, tja, Geschäftspartners?

Ist er das denn aber, der mit dem schweren Gepäck und der stets zu knappen Zeit: ein Partner? Nicht doch ein Dienstbote, wenn auch nur für klar umrissene, kurze Zeit? Und wie frei, genau, ist eigentlich eines jeden Entscheidung für so einen Elendsjob?

Und der Kunde, der einfach nur zu beschäftigt ist, um selbst zum Imbiss zu gehen, den die eigenen Dinge allzu sehr belegen, als dass er sich eine Stulle schmieren kann: Ist der nicht endlich angekommen im Landhaus mit Personal? Das er springen lassen kann, wenn nötig, denn: Wer zahlt, sagt an?

Dass all das völlig rechtens ist – geschenkt. Dass mancher in solcher postpostmodernen Arbeitsteilung sogar einen Beleg erkennt, dafür nämlich, wie weit der Mensch gekommen ist, seit er von den Bäumen stieg – bezeichnend. Dass, schließlich, der kritisch sich wähnende Geist finden wird: Hey, hier legt das Elend wenigstens offen da – nachsitzen!

Es komme mir niemand mit Bequemlichkeit: Das alles durchdringende Marktmäßige macht die Zeit des einen teurer als die des anderen, es klebt Preisschildchen auf die Bereitschaft zur eigenen Verdackelung. Danke, aber nein, danke.

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