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Archiv-Artikel

Das Licht bleibt

Verausgabung, Nebel, Orgel, Schluss: Die Walkabouts gastierten richtungsweisend wütend im ColumbiaFritz

Während am anderen Ende der Stadt Wir sind Helden auf dem Plateau ihrer Popularität gefeiert wurden, präsentierten im guten alten ColumbiaFritz die heldenhaften Walkabouts nicht nur die flammenden Songs ihres neuen Albums „Acetylene“, die aus der Wut über die Regierung ihrer Heimat USA entstanden, sondern auch 22 Jahre bewegter Kontinuität. Am Merchandisingstand gab’s Nachhilfe über das Gesamtwerk der Veteranen Chris Eckman und Carla Torgerson. Umwabert von Räucherkerzen hingen dort handgeschriebene Listen der weit über 20 Alben der Band und ihrer Nebenprojekte. „Amazed by quantity? Ask!“ beruhigte ein Schild.

Ein Sideprojekt, das Trio Transmissionary Six um Schlagzeugerin Terri Moeller, eröffnete den Abend mit ruhigem, gleichmäßigem Sound. Angenehm, auch wegen ihrer dunkler Stimme. Wie ein langsam fahrender Zug. Bei Sauerstoffmangel aber genauso ermüdend. Inzwischen trudelten so viele mitgewachsene Fans ein – hauptsächlich Männer, ein paar Paare, wenige junge Frauen –, bis sie zusammen den stickigen Columbiaclub luftig füllten. „Don’t hesitate, fuck your fear!“, Chris skandierte das im ersten Stück des Abends und ihrer 20. CD richtungweisend wütend, rau, hart. Das Motto, als Politprotest geschrieben, muss man sich hinter die Ohren schreiben, es eignet sich prima für den Hausgebrauch. Mit dieser Wut sind sie jetzt in die Charts geraten: War die Folk-Punk-Rock-Qualitätsband in den letzten Jahren balladig und retrospektiv, belegt sie jetzt mit „Acetylene“, benannt nach dem hoch explosivem Gas, Platz 87 unter den Lieblingsalben der Deutschen. Ein gutes Zeichen? CD-gemäß geht es weiter. „Coming up for air“, im Hintergrund haucht eine Nebelmaschine, Chris schrubbt mit ernstem Gesicht Gitarre, Carla singt mit schelmischem Lächeln, bei „Devil in Detail“ zeigt sie die aufregend geschnittene Rückseite ihres Oberteils. Noch ein Detail: Das Stück läuft in einem Werbespot für Campingausrüstung.

Gitarrig, hart und roh geht’s auch mit alten Stücken weiter wie „Stir the Ashes“ und melancholischen Epen wie „Train to Mercy“, in denen Glenn Slater alles aus den Keybords rausorgelt. Irgendwann kommt auch der letzte Hit von 1996: „The light will stay on“. Nach dreimal Abgang und der letzten Zugabe „Something’s wrong again“ tropft Schweiß vom Schopf, alles ist wild, das Licht ist blau, die Kleider nicht mehr schwarz , sondern rot, Verausgabung, Nebel, Orgel, Schluss – und Carla verabschiedet sich mit einem hamburgischen „Tschüs“. IMKE STAATS