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Wie Ehen lange halten

Am Montagabend spielte die Clevelander Postpunk-Legende Pere Ubu mit ihrem Sänger David Thomas im Frannz Club. Ein überragender Abend

Von Jens Uthoff

Manchmal knurrt David Thomas, dann bellt oder quäkt er. Daraufhin wieder heult er, wie nur ein einsamer, alter Wolf heulen kann: „A-uuuuuuh!“, und noch mal: „A-uuuuuuh!“. Das Gejaule kommt ganz tief aus seinem massigen Bauch; Thomas reckt den Kopf mit letzter Kraft zum Wolfsblues nach oben: „I’m gonna howl for ya, baby/ like the Wolf“. Kurz darauf krakeelen Synthesizer, Klarinette und Thomas’ Gesang um die Wette, es ist kaum auszumachen, wer nun den bittersten, den krachigsten Klagelaut von sich gibt.

Man sieht David Thomas, dem Sänger der Clevelander Postpunk-Legende Pere Ubu, die Härten des Lebens an. Gebeugt sitzt der 64-Jährige mit dem grauen stoppeligen Vollbart auf einem Hocker in der Bühnenmitte, stützt sich auf einen Gehstock. Thomas hat wie fast immer seinen schwarzen Hut auf, trägt trotz der hohen Temperatur das gesamte Konzert über Lederjacke, darunter ein Hemd mit knallroten Hosenträgern. Stoisch hockt er da, blättert von Song zu Song, und scheint nur eins zu wollen: dem Leben singend, kreischend, krähend die Stirn bieten und schwarzhumorige Witze reißen.

Das ist das Große an diesem Konzertabend im Frannz Club in Prenzlauer Berg: David Thomas muss einem nichts mehr vormachen, er muss nur das machen, was er (mit kurzer Unterbrechung in den Achtzigern) seit nun 43 Jahren mit Pere Ubu macht – schräge, dissonante Töne mit manchmal alltäglichen, dann absurd-philosophischen Texten verbinden. Dass die Band sich einst nach dem protodadaistischen Stück „König Ubu“ von Alfred Jarry benannte, ist da nur schlüssig.

Beeindruckend ist, welches Niveau Pere Ubu über die Jahre gehalten haben. So stammt ein beträchtlicher Teil der Songs des Konzertabends vom aktuellen Album „20 Years In A Montana Missile Silo“ (2017) und vom Vorgänger „Carnival Of Souls“ (2014), und niemand im mit etwa 300 Besuchern gut gefüllten Frannz kommt auf die Idee, die alten Hits oder besser Anti-Hits zu fordern. Stattdessen lassen sie sich von Thomas gern weitere Tierlieder wie „Monkey Bizness“ oder „Carnival“ vorsingen – die Tour heißt schließlich nicht umsonst „MonkeyNet“-Tour.

Es gibt weitere Gründe, warum Pere Ubu in diesen kaum eineinhalb Stunden Leben in den nicht gerade zum hemmungslosen Abrocken geschaffenen Frannz Club bringen. Zum einen die Bühnenpersona David Thomas. Zwischendurch hat der gute Mann ein paar Ratschläge parat, wie Ehen halten können (ganz einfach: nicht zusammenwohnen) und dass ihm seine Ex-Frau, seine aktuelle Frau (die, mit der er nicht zusammenwohnt) und seine Mutter allesamt vor der Tour gesagt hätten, er solle sich mal etwas charmanter gegenüber seinem Publikum geben. Das scheint etwas gefruchtet zu haben. Vor der ersten Zugabe sagt Thomas: „Ich komme nur wieder, damit ihr Freude habt.“

Neben Thomas sorgen vor allem Gitarrist Gary Siperko, der Gang-of-Four-mäßige Riffs genauso draufhat wie schräge Soli, sowie Robert Wheeler, der am modularen Synthesizer und am Theremin ein Frickler vor dem Herrn ist, für tolle Momente. Insbesondere bei Letzterem ist man sich nie so sicher, ob er nicht doch noch Gläser zum Springen bringt mit seinem Geflirre und Gefiepe.

Bei der Zugabe gibt es mit dem MC5-Cover „Kick Out The Jams“ und „Final Solution“ am Ende übrigens doch noch Kracher aus frühen Punkzeiten, ehe der Wolf in der Bühnenmitte langsamen Schrittes, gestützt von seinem Bandkollegen, von der Bühne geht.

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