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Archiv-Artikel

„Zu viele Unternehmer setzen allein auf den schnellen Gewinn“

Nina Griesshammer ist Tropenwaldexpertin des World Wide Fund for Nature in Deutschland. Anlässlich der Kölner Spoga kritisiert sie die Profitgier am Markt: Weiterhin boome der Handel mit Tropenholz ohne Gütesiegel. Statt nur noch korrekt geschlagenes Holz aufzukaufen, habe die rot-grüne Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag gebrochen

taz: Frau Grieshammer, wie steht es um den Orang-Utan-Wald auf Borneo?

Nina Grieshammer: Ich war selbst vor Ort: Die Situation ist mehr als bedrohlich. Jedes Jahr werden auf Borneo 1,3 Millionen Hektar Wald vernichtet, was etwa der Fläche Schleswig-Holsteins entspricht. Alle 20 Sekunden geht dort Tropenwald in der Größe eines Fußballfeldes verloren.

Wer treibt die Abholzungen voran?

Hauptakteur ist die organisierte Holzmafia. Das sind Holzfirmen aus Indonesien oder auch Malaysia, die möglichst billig große Flächen abholzen, um in kürzester Zeit hohe Gewinne zu erzielen. Das Holz wird häufig aus Borneo hinaus geschmuggelt. Es geht unter anderem nach China oder Europa. Auch Deutschland spielt als Käufer indonesischen Holzes eine wichtige Rolle.

Was unternimmt die indonesische Regierung?

Die Regierung hat die Gesetze verschärft und die Kontrollen ausgeweitet. Seit dem Frühjahr wurden über 250 Personen verhaftet, die am illegalen Raubbau verdienen. Aber Korruption ist in Indonesien gang und gebe. Dagegen anzugehen, ist schwierig. Oft verdienen auch Militär und Polizei am Geschäft mit dem Tropenwald. Wenn diese Instanzen bestechlich sind, nützen alle Gesetze nichts.

Was kann Deutschland gegen die Abholzung des Regenwaldes tun?

Der Bund kann seine Holzbeschaffung – die er etwa für Bundesbauten oder durch den Kauf von Büromöbeln bezieht – auf Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft konzentrieren. Dieses Ziel steht sogar im Koalitionsvertrag. Aber es wurde nicht umgesetzt. Immer noch wird in Deutschland Holz gekauft und gehandelt, das aus zweifelhaften Quellen stammt. Zu viele Unternehmen setzen auf den schnellen Gewinn und unterstützen damit Preisdumping: Der Gedanke, eine nachhaltige Waldwirtschaft in den Ländern des Südens umzusetzen, spielt hier nur eine geringe Rolle. Produkte aus illegal geschlagenem Holz sind zwischen sieben und sechzehn Prozent günstiger als Holz aus nachhaltigen Quellen.

Die Bundesregierung plant ein Urwaldschutzgesetz. Könnte das den illegalen Holzhandel eindämmen?

Das wäre ein wichtiges Instrument und ein großer Fortschritt. Deutschland könnte hier sogar ein internationaler Vorreiter werden und die EU in ihrem Vorgehen gegen Handel mit illegalem Holz positiv beeinflussen.

Wie kann man Indonesien zur ökologischen Tropenwaldwirtschaft bewegen?

Das ist ein langwieriger Prozess. Ein Weg ist, den Kauf von Holz aus nachhaltigen Quellen zu fördern und somit in Indonesien einen Anreiz zu schaffen, nachhaltig zu wirtschaften. Hier kann Deutschland einen entscheidenden Beitrag als starker Kaufmarkt ausüben.

Warum ist ein kompletter Boykott von Tropenholz kontraproduktiv?

Es wird immer einen Käufer geben. Kauft Deutschland das Holz nicht, dann gehen entsprechende Mengen von unkontrolliert geschlagenem Holz zum Beispiel nach China. Da ist es doch besser, wir motivieren durch unsere Nachfrage nach nachhaltigem Tropenholz Unternehmen vor Ort dazu, Holzeinschlag und Waldbewirtschaftung nach ökologischen Kriterien auszurichten. Das bedeutet neue lukrativere Einnahmequellen: Denn der Anreiz zur Umstellung der Produktionsweisen liegt ja darin, dass für Holz aus ökologischen Quellen eventuell mehr gezahlt wird und langfristige Lieferbeziehungen aufgebaut werden.

Wo findet der Verbraucher Produkte aus ökologisch angebautem Tropenholz?

FSC, das Garantiezeichen für nachhaltige Waldwirtschaft, ist in der Bevölkerung noch nicht ausreichend bekannt. Es setzt sich aber immer mehr durch. Die Baumärkte sind schon sehr weit. Auch im Papierbereich haben viele Firmen auf FSC umgestellt.INTERVIEW: TORSTEN SCHÄFER