: Pfarrer Hintze in der sozialistischen Wiege
taz geht wählen – Die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um die Mandate? Wer ist Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Wuppertal I
Wuppertal? 360.000 Einwohner leben in der oberbergischen Metropole Wuppertal. 316.000 davon im Wahlkreisgebiet 103, Wuppertal I – mit den Stadtteilen Elberfeld, Barmen und Vohwinkel. Der Rest darf sich im Wahlkreis 104 die Stimmabgabe mit den Bürgern von Remscheid und Solingen teilen. Diejenigen, die nicht zu den 13 Prozent Arbeitslosen gehören verdienen ihr Geld in der Klein- und Mittelindustrie. Über allen thront: Das Bayer-Werk im Stadtteil Elberfeld. Auch bekannt: Die Schwebebahn, die bergische Universität, das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt , Energie sowie die „Barmer Erklärung“ der oppositionellen bekennenden Kirche im Dritten Reich. Nicht mehr ganz so toll: der Wuppertaler Zoo mit dem angeschlossenen Fußballklub. Der WSV kickt eher müde in der dritten Liga.
Wer verteidigt den Wahlkreis?
Friedrich Engels und Johannes Rau haben ein schweres Erbe hinterlassen. Doch auch Manfred Zöllner (ebenfalls SPD) kann auf die sozialistische Wählerschaft bauen. 49,9 Prozent gab es vor drei Jahren. Der Einzug in den Berliner Bundestag war perfekt. Dort kämpft er für den Verbraucherschutz, besonders in der Telekommunikation und gegen Abzocke und Verbrauchertäuschung. Doch die Fortsetzung der Arbeit steht auf wackeligen Beinen. Die Wuppertaler Bevölkerung hat die Spenden-Affäre um den ehemaligen Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD) noch nicht vergessen. Bei der letztjährigen Kommunalwahl blieben die Genossen zu hause. Jetzt soll die Bundes-SPD wegen Wuppertal auch noch eine Strafe von 767.000 Euro zahlen. Immerhin wurde die Entscheidung darüber auf den 20. September verlegt – zwei Tage nach der Bundestagswahl.
Wer will in den Wahlkreis?
Ausgerechnet der sozialistenfressende Pfarrer Peter Hintze (CDU). Seit 1990 im Bundestag. Unter Kanzler Kohl war er der Mann fürs Grobkörnige. Als Generalsekretär verpasste er der SPD die „Roten Socken“ – warnte vor einer SPD-Volksfront mit der damaligen PDS. Außerdem verhinderte er den Bundeskanzler Rudolf Scharping (SPD). Im aktuellen Wahlkampf warnt der penetrante Protestant vor einer Wiederholung der linken Einheitsfront. Andere warnen vor Hintze.
Die großen Außenseiter?
Nur statistische Größen sind Peter Lutz Engelmann (FDP), Sebastian Sewerin (Grüne) und Gerd-Peter Zielinski (Linke). In gar nicht so schlechter Gesellschaft von: Uwe Becker (Die Partei). Zumindest für die beiden potenziellen kleinen Koalitionspartner geht es darum, die Stimmenanteile aus der Vergangenheit erneut zu sichern. Zweistellige Ergebnisse waren eher die Regel als die Ausnahme.
Die taz-Prognose?
Gott bewahrt uns vor Pfarrer Hintze. Manfred Zöllner kann sein Mandat verteidigen. Leider hat der Herr keinen Einfluss auf die schwarze Landesliste. Platz sieben sichert Hintze ab.
HOLGER PAULER