: Das fragwürdige Wunschschloss
Bei der Machbarkeitsstudie zum Bau des Stadtschlosses habe Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) nur die halbe Wahrheit erzählt, kritisieren Berliner Architekten. Wichtiges fehle. Tatsächlich seien Kosten und Risiken höher
Knapp zwei Wochen ist es her, da hoffte der Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD), die unselige Debatte um den Palastabriss und den Schlossneubau in Berlins Mitte wohl ein für alle Mal begraben zu können. Gestützt von einem Gutachten, verkündete er stolz: „Der Wiederaufbau des Stadtschlosses ist machbar.“ Alles Täuschung – hält nun eine Gruppe von Berliner Architekten dagegen. Sie hat die Ergebnisse der von Stolpe in Auszügen vorgestellten Machbarkeitsstudie komplett ausgewertet. Ihre Analyse verkehrt die Euphorie des Ministers ins genaue Gegenteil: Die Studie zeige keinen gangbaren Weg zu einer möglichen Realisierung auf. Sowohl die Kostenberechnung als auch das Nutzungskonzept für das barocke Stadtschloss seien unvollständig und unseriös.
Dass Kritik an der Machbarkeitsstudie, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, nicht lange auf sich warten lassen würde, war klar. Dass sie so lange gedauert hat, liegt wohl auch daran, dass das komplette Gutachten bislang weder der Öffentlichkeit noch den Bundestagsabgeordneten oder den Berliner Senatoren vorgelegt wurde. „Der Inhalt der gesamten Studie hat einen ganz anderen Ton als die Auszüge, die Stolpe wiedergegeben hat“, sagte gestern der Architekt Philipp Oswalt, der zusammen mit Kollegen die ausführliche Fassung bezüglich der Punkte Nutzung, Architektur, Kosten und Finanzierung studiert hat.
Die Analyse der Gruppe, die unter dem Namen Urban Catalyst (UC) firmiert, stellt die Machbarkeit dabei mehr als in Frage: Vor allem die Baukosten, von Stolpe auf zwischen 533 und 780 Millionen Euro beziffert, schätzten die Architekten wesentlich höher ein. Wichtige Kosten wie etwa der Abriss des Palastes der Republik seien unberücksichtigt geblieben. Zudem sei eine zuverlässige Schätzung nur auf Basis eines konkreten Architektenentwurfs möglich – genau der stehe jedoch noch aus. „Ohne Entwurf sind alle Zahlen unseriös“, sagte Oswalt.
Auch hinsichtlich der Nutzung des Schlosses durch die Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellte UC erhebliche finanzielle und technische Risiken fest: Laut der Machbarkeitsstudie ist das so genannte museale Humboldt-Forum aus Platzgründen nicht innerhalb der Schlosskubatur mit den rekonstruierten Fassaden realisierbar. Die vorgesehene Erweiterung um zwei Untergeschosse für die Sammlungen sei bisher jedoch nicht durch ein Tiefbaugutachten abgesichert, kritisierten die Architekten. Mit noch unbekannten Kosten müssten sowohl die geplante U-Bahn-Linie U5 mehrere Meter tiefer verlegt als auch das Gebäude acht Meter ins Grundwasser gebaut werden.
Für fragwürdig hielt die Gruppe auch die teilweise privatwirtschaftliche Nutzung durch ein Luxushotel und eine Tiefgarage. Selbst das Gutachten sehe diese Projekte angesichts des großen Angebots in Berlin als riskant an. Darüber hinaus reduziere der Privatanteil nicht die öffentlichen Kosten, sondern erschwere nur die Bauaufgaben.
Am Schluss blieb den Architekten nur der Appell an die Bundesregierung, das Schloss nochmals zu überdenken. „Bis ein überzeugender Weg für den Bau gefunden ist, soll man den Status quo erhalten“, forderte Oswalt. Unter Status quo versteht man bei UC ganz klar die Zwischennutzung des Palastes der Republik. Einen Vorschlag aus den eigenen Reihen gibt es schon: Der Architekt Claus Anderhalten hat ein Konzept erarbeitet, wie sich die Palastruine für etwa 60 Millionen zum „Weltkulturpalast“ mit leuchtender Glasfront umbauen ließe. In ihm könnte man dann für die Dauer von etwa zehn Jahren all jene Exponate zeigen, die einmal im Schloss ausgestellt werden sollen. TINA HÜTTL