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Archiv-Artikel

Mit aller Gewalt

Gleich vier FragerInnen boten Deutschlands Großsender am Sonntag für das TV-Duell auf. Seien wir mal ehrlich: Sie alle haben einen Preis verdient

Peter Kloeppel/RTL

„Gibt es mehr Computerspezialisten? Gibt es mehr Schuhputzer? Oder gibt es mehr Schuhputzer, die den Computerspezialisten die Schuhe putzen?“ Was sich der RTL-Anchorman verbal zusammenstauchte, war selten genießbar. Da hatte er nun seinen einzigen Großauftritt zur Wahl, den ihm sein Sender bieten konnte, und musste doch nach wenigen Minuten einsehen: Die wöchentlich-öffentlichen Kolleginnen waren so beiläufig überlegen, dass für ihn kaum Platz blieb. Okay, er fragte oft und beharrlich nach. Doch dabei agierte er, wie er selbst in seinem deplatzierten Schlusswort nach der Verabschiedung von Duellanten und Zuschauern vorgab: „Mit aller Gewalt“.

Maybrit Illner/ZDF

Die große Koalition aus charmanter Beharrlichkeit und schnörkeliger Rhetorik. Bei den Fragen der Berlin-Mittigen tropfte „ein sehr kleiner Tropfen auf einen sehr heißen Stein“ und wurde Schröder schon mal gefragt, ob er einem Statement von Außenminister Fischer auch mit halber Brust zustimmen könnte. Dabei war es Illner, die beim Thema Mehrwertsteuer-Erhöhung dran blieb und den Kanzler nicht aus der Verantwortung entließ. Angenehm, ohne gefällig – und präsent, ohne auffällig zu sein.

Sabine Christiansen/ARD

„Gelb“, dachte er. Das Wort „gelb“ ging ihm im Kopf herum und suchte nach einer Gedankenverbindung. Und plötzlich war sie da: „Tagesthemen“ natürlich. Je nach Fernseher- oder Übertragungsqualität wirkte Sabine Christiansen gelb von Haar und Make-up abwärts bis zum Kostüm. Und machte das, was sie wirklich gut kann: Wie damals in den „Tagesthemen“ eng gefasste Fragen mit seriöser Dominanz stellen und exakt ein Mal nachhaken, wenn ihr Gegenüber – gefühlt war das übrigens meistens Merkel – nicht genau so eng gefasst antwortete. Da ergeben sich ja ganz neue Möglichkeiten zur Verbesserung einer einschlägigen Unterhaltungssendung am Sonntag …

Thomas Kausch/Sat.1

Bislang ist nicht bekannt, ob das ZDF plant, Kausch zurückzukaufen. Aber er kam schon smart rüber: Locker, jovial, dabei angenehm über Stammtischhöhe und nicht so devot-steif wie der andere Anzugträger. Dass er mit seinen Fragen nicht wesentlich zur Klärung beitragen konnte, ist angesichts des gesamten TV-Duells nun auch nicht weiter schlimm. Hübsch war sein „Ach ’ne, muss das sein“, als Merkel einem Themenwechsel auswich und mit einem trotzigen „Ein abschließender Satz zu der Gentechnik“ unter seiner Fragen durchtauchte. Den Preis aber gibt’s für das, was als einziges in einem halben Jahr noch vom Duell übrig bleibt: Als Kausch nach all dem Kirchhof-Angehimmel von Merkel die Kanzlerkandidatin einfach mal „Frau Kirchhof“ nannte.

Die Nöckelpriester

„Wenn das die vier besten oder zumindest die vier bestbezahlten Moderatoren im deutschen Fernsehen gewesen sein sollen, muss was anders werden“, drohte Lutz Hachmeister, jetzt auch Leiter des unabhängigen Instituts für Medienpolitik Berlin. Ex-Grimme-Chef Bernd Gäbler sekundierte: „Das TV-Duell spiegelt eher die bestehenden Kuriositäten der deutschen Fernsehlandschaft wider.“ HPI, STG