: Viel mit wenig
In der Frühzeit der CD gab es ja die Tendenz, Alben mit Bonusmaterial aufzumotzen, um die Spielzeit von 74 Minuten zu füllen. Dann wurde es eine Weile fast Pflicht für Künstler, mindestens eine Stunde Musik für ein Album zusammenzubekommen, um den Preis für die Scheiben zu rechtfertigen. Mittlerweile ist das mit den CDs ja nicht mehr so relevant, und Alben orientieren sich längst wieder stärker an der guten alten LP.
Ein bisschen ist es so auch beim zweiten Album des Berliner Saxofonisten Wanja Slavin und seiner Band Lotus Eaters. „Salvation“, wohlgemerkt auf CD erschienen, dauert gerade mal 39 Minuten. Und das ist richtig so. Auf sieben Nummern verteilt erkundet das Sextett mit leicht variierender Besetzung verschiedene Spielarten des entspannteren Jazz, ohne zu kurz – oder zu lang – zu wirken.
Kontemplativ bis spirituell ist die Grundstimmung, manches davon hat keine Angst vor Fusion, das Heil dieser „Salvation“ liegt keinesfalls im Purismus. Auch bei der Produktionsweise: Rainer Böhm am Klavier und der Tenorsaxofonist Philipp Gropper bilden neben Slavin die Konstanten dieser Musik, an der Trompete spielt entweder Tom Arthurs mit hellem oder Erik Kimestad Pedersen mit etwas rauerem Klang. Bass und Schlagzeug sind sogar in drei verschiedenen Besetzungen vorhanden. Trotzdem hat „Salvation“ eine wunderbar geschlossene Stimmung, setzt hier und da energischere Akzente, verliert aber nie seine stabil gesetzten Bögen aus dem Blick, die scheinbar wenig benötigen, um zu halten.
Weniger als wenig ist am Ende nichts. Und mit nichts kann man eine ganze Menge bewirken. Zumindest, wenn es sich um die Berliner Klarinettisten Kai Fagaschinski und Michael Thieke alias The International Nothing handelt. Ihr jüngstes Album „In Doubt We Trust“ besteht aus einem Stück, das mit gut 37 Minuten sogar noch ein wenig kürzer ist als das Album der Lotus Eaters.
Fagaschinski und Thieke sind Virtuosen der minimalen Reibereien, mal als bewusst herbeigeführtes kratzendes Störgeräusch, mal mit lange gehaltenen – klaren – Tönen. Sie variieren diese Mittel so klug, dass sie mit fast nichts eine Menge erreichen. Knirschende Schönheit, könnte man sagen.
Tim Caspar Boehme
Wanja Slavin Lotus Eaters: „Salvation“ (WhyPlayJazz/NRW)
The International Nothing: „In Doubt We Trust“ (Ftarri)
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