: Arbeiten an der Heimat
Soziologe und Biobauer Andreas Willisch redet über die doppelte Heimatlosigkeit im Osten, auch auf dem taz lab
taz am wochenende: Herr Willisch, was ist für Sie Heimat?
Andreas Willisch: Heimat braucht zwei Dinge. Einen Ort, meist der, an dem man aufgewachsen ist. Und ein positives Gefühl, das sich darauf beziehen darf, wenn man zum Beispiel an die Clique denkt, mit der man als Jugendlicher unterwegs war, an den ersten Freund, die erste Freundin. Heimat muss sich positiv begründen lassen, deswegen tun wir Linken uns damit schwer.
Zu Recht?
Ja. Viele Rechte verknüpfen den Begriff „Heimat“ mit nationalistischen Ideen. Und wir Linken tun uns schwer, weil wir das Gefühl haben, wir schaffen ein Einfallstor für Nationalismus, wenn wir uns positiv auf den Begriff beziehen.
Gibt es in Ostdeutschland einen größeren Heimatbedarf als im Westen?
Bedarf ist das falsche Wort. Heimat lässt sich nicht nachholen. Aber die Heimatlosigkeit ist im Osten eine doppelte. Die mit Heimat verknüpften Orte, zum Beispiel viele Betriebe, gibt es oft nicht mehr. Und ein positives Gefühl zu ihrer Vergangenheit ist Ostdeutschen verwehrt. Wer positiv an seine Jugend zurückdenken möchte, wird daran erinnert, dass es die Jungen Pioniere gab und selbst die tollsten Lehrer alle politisch indoktriniert waren.
Also kann es für Ostdeutsche keine Heimat geben?
Für viele wahrscheinlich nicht. Aber ein Zuhause können wir uns schaffen. Der Bezirk Karl-Marx-Stadt und das Dorf, aus dem ich komme, gibt es so nicht mehr. Aber in Berlin und auf dem Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern habe ich mir ein Zuhause geschaffen. Das ist nicht Heimat, denn wenn ich in Berlin Sächsisch spreche, merke ich noch immer, wie fremd ich bin. Für meine Tochter könnte es aber eine Heimat werden. Interview: Daniel Schulz
Andreas Willisch, Jahrgang 1962, ist Soziologe, Biobauer. Auf dem taz lab diskutiert er mit Naika Foroutan und Daniel Schulz.
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