: „Wir brauchen eine dritte deutsche Einheit“
INTEGRATION Leistung muss sich auch für Einwanderer lohnen, fordert der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet. Der CDU-Politiker setzt auf den sozialen Aufstieg – und auf Bildung
(48) ist Christdemokrat und seit 2005 Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen.Foto: MGFFI
taz: Herr Laschet, sind Sie enttäuscht?Armin Laschet: Nein, warum sollte ich?
Weil der Koalitionsvertrag nicht viel in Sachen Integration zu bieten hat.
Enttäuscht bin ich, weil Alemania Aachen 1:4 gegen Union Berlin verloren hat. Im Koalitionsvertrag steht vieles, was die Integration voranbringt: die Perspektive auf eine erweiterte Bleiberechtsregelung, eine erleichterte Einwanderung für Hochqualifizierte, Zwangsheirat als eigener Straftatbestand, bessere Integrationskurse.
Das meiste davon ist unverbindlich. Wie die Bleiberechtsregelung, die wird geprüft.
Ja, aber sie wird kommen.
Sie wollten ein Integrationsministerium und haben sich mit Ihrem neuen Buch dafür ins Spiel gebracht.
Nein, ich habe ein Integrationsministerium gefordert und wollte, dass das mit einem Zugewanderten besetzt wird. Ich spreche von der Integration der Zugewanderten als einer dritten deutschen Einheit, die wir dringend brauchen. Bei der ersten, der Integration der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, gab es auch einen Vertriebenenminister und einen Lastenausgleich. Und dann einen Minister für den Aufbau Ost bei der Einheit 1990.
Ist Ihre Partei überhaupt reif für diese Einheit?
Mit meinen Überzeugungen bin ich ja nicht allein. Wenn Wolfgang Schäuble bei der Islamkonferenz sagt, der Islam ist ein Teil Deutschlands, dann ist das faktisch die Anerkennung der multikulturellen Gesellschaft. Auch der Integrationsgipfel der Kanzlerin hat vor Ort viel bewegt.
Die meisten CDUler sprechen lieber über mangelnden Integrationswillen als über die „jahrelange Realitätsverweigerung, mit der wir uns an den Aufstiegschancen einer ganzen Generation von Zuwanderern versündigt haben“, wie es in Ihrem Buch heißt.
Vielleicht stimmt beides. Aber ich glaube, die Integrationsverweigerer sind in der Minderheit. Die Realitätsverweigerung ist ja nicht nur Sache der CDU – auch ein Kanzler wie Helmut Schmidt hat die Situation verkannt und verkennt sie bis heute.
Nimmt man das schöneLabel der dritten Deutschen Einheit weg, bleiben nicht mehr ganz so viele neue Ideen in Ihrem Buch. Sie wirken vor allem erfrischend, weil sie von einem CDU-Politiker aufgeschrieben wurden.
Warum? Es gibt zu dem Thema gar nicht so viele Bücher von Politikern. Das letzte hat Daniel Cohn-Bendit mit „Heimat Babylon“ 1992 verfasst, die SPD hat sich bisher nicht mit originellen Ideen hervorgetan. Die Idee der Aufsteigerrepublik, um die es in dem Buch geht, dass sich Leistung lohnen muss und Erfolg nicht abhängig ist von der Herkunft der Eltern, das passt zur CDU.
Wie soll es klappen mit dem sozialen Aufstieg der Migranten?
Wir müssen das Bildungswesen umgestalten und brauchen frühe Sprachförderung und vor allem Ganztagsschulen.
Beides muss aber auch finanziert werden, und daran hapert es. Und wenn es ernst wird mit den Veränderungen im Bildungswesen, dann kneifen Sie. Die frühe Selektion und das dreigliedrige Schulsystem wollen Sie erhalten.
Entscheidend ist, dass wir die Durchlässigkeit im Bildungssystem fördern, aber dafür braucht es keine Einheitsschule. Ein Problem ist auch, dass wir nicht wie die Amerikaner diesen Traum haben, dass es jeder schaffen kann: vom Tellerwäscher zum Millionär. Im Gegenteil, eine neue OECD-Studie hat gezeigt, dass auch gut ausgebildete Zugewanderte bei uns schlechter einen Job finden als gleich gute „Altdeutsche“. Das muss sich ändern. Wir müssen den Einwanderern die Chance geben, aufzusteigen: in Verwaltung, Politik, Wirtschaft. Nach dem Motto: Wenn ich mich anstrenge, dann schaffe ich es auch. Das schafft Anreize.INTERVIEW: SABINE AM ORDE
■ Armin Laschet: „Die Aufsteigerrepublik“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, 304 S.,19,95 Euro