die nachricht: Terrorverdacht gegen vernetzte Reichsbürger
Durchsuchungen in Berlin, Brandenburg und Thüringen. Acht Verdächtige, bisher aberkeine Festnahmen. Polizei hält auch Planung von Tötungsdelikten für möglich
Das Neue
Die Bundesanwaltschaft hat wegen des Verdachts auf Bildung einer neuen rechten Terrorgruppe in drei Bundesländern Razzien in der sogenannten Reichsbürgerszene vorgenommen. Niemand sei bisher festgenommen worden, teilte die Behörde am Sonntag in Karlsruhe mit.
Die Ermittler vermuten, dass die beschuldigten sieben Männer und eine Frau für ihre Ziele auch töten würden. Unter anderem seien die Wohnungen der acht Beschuldigten sowie weiterer nicht direkt tatverdächtiger Menschen in Berlin, Brandenburg und Thüringen durchsucht worden. In Berlin waren nach Polizeiangaben fünf Objekte betroffen.
Laut Bundesanwaltschaft sollen die Verdächtigen spätestens im vergangenen Sommer eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet haben. Auch gebe es Hinweise auf Verstöße gegen das Waffenrecht. Mit der neuen Vereinigung wollten sie den Erkenntnissen der Ermittler zufolge in ihrer Szene koordiniert agieren. „Ihr Ziel soll es sein, die bundesrepublikanische Ordnung durch eine an die organisatorische Struktur des Deutschen Kaiserreichs angelehnte, neue staatliche Ordnung zu ersetzen“, hieß es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft.
Bei den Razzien sollte unter anderem gezielt nach Waffen gesucht werden. Im Einsatz waren laut Mitteilung auch die Anti-Terror-Einheit GSG 9 und das Mobile Einsatzkommando (MEK) der Polizei. Ein Zusammenhang mit der Todesfahrt in Münster vom Samstag bestehe nicht.
Die Ermittlungen waren zunächst von der Staatsanwaltschaft Gera im vergangenen August aufgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft habe das dortige Verfahren am 24. Oktober 2017 übernommen, hieß es.
Der Kontext
Sogenannte Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Sie behaupten stattdessen, das Deutsche Reich (wahlweise das Kaiserreich oder das Dritte Reich) bestehe bis heute fort.
Reichsbürger bilden keine einheitliche Bewegung. Manche von ihnen sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reichs, mit eigenen Ausweisen und Nummernschildern. Der Verfassungsschutz geht von etwa 12.600 Anhängern jener Strömung in Deutschland aus. Bei einigen von ihnen sieht er eine „erhebliche Gewaltbereitschaft“. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder zahlen wollen sie nicht. Etliche Akteure sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern auch in der rechtsextremen Szene aktiv.
Die Reaktionen
Bis zum Redaktionsschluss: keine.
Die Konsequenz
Einer der Auslöser für die stärkere Beobachtung der Reichsbürger durch die Polizei war ein Fall im Jahr 2016, als ein Polizist in der Nähe von Nürnberg von einem Anhänger der Szene erschossen wurde. Der Verfassungsschutz und die Bundesländer bemühen sich, besonders den rechtsextremen Reichsbürgern die Waffenerlaubnis zu nehmen. Rund 1.100 Reichsbürger verfügten danach Ende 2017 über Waffen. 350 Anhängern der Bewegung wurde die Waffenerlaubnis bereits entzogen.
(dpa, reuters)
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