: Der feine Unterschied
Wer den Parteien die Beteiligung an Rundfunksendern verbietet, verkürzt den Meinungsbildungsprozess – sagt Medienrechtler Hubertus Gersdorf
taz: Herr Gersdorf, was bedeutet das Bückeburger Urteil?
Hubertus Gersdorf: Zuerst einmal: Der Staatsgerichtshof hat nicht entschieden, dass für Parteien jetzt jede Beteiligung an Privatsendern möglich ist. Das für nichtig erklärte Gesetz hatte aber offenbar ein gänzliches Beteiligungsverbot zum Ziel. Und das ist nicht vereinbar mit dem Grundgesetz.
Warum?
Die Aufgabe eines Rundfunkgesetzes ist es, die Meinungsbildung zu ermöglichen. Und wer einer gesellschaftlich relevanten Gruppe wie einer Partei solche Beteiligungen komplett verbietet, verkürzt den Meinungsbildungsprozess: Der Staatsgerichtshof hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Partei und Staat. Eine Partei ist ja dafür da, Meinungen der Bevölkerung zu bündeln – und sie zu kommunizieren.
Also wäre das Urteil ein Appell an die Parteien, sich stärker an Medien zu beteiligen?
Ein Appell sicher nicht, das stünde dem Staatsgerichtshof nicht zu: Niemand kann verpflichtet werden, sich in die Presselandschaft einzubringen. Aber wer es unterlässt, darf dieses Recht noch lange keinem anderen streitig machen.
Nicht angetastet haben die Bückeburger Richter das Recht, Beteiligungen an Rundfunksendern zu beschränken – während die Anteile der SPD an Printmedien keiner Einschränkung unterliegen. Wieso gelten da andere Maßstäbe?
Beim Rundfunk wird weiterhin eine Sondersituation angenommen. Insbesondere dem Bewegungsbild, also dem Fernsehen, aber eben auch dem Radio spricht man andere Möglichkeiten zu als der gedruckten Presse: Suggestivkraft, Aktualität und Breitenwirkung sind da die Stichworte des Verfassungsgerichts. Deshalb gibt es hier weiterhin diese Regulierung.
Das klingt etwas veraltet – so wie einst erst ein königliches Privileg den Druck einer Zeitung erlaubte…
Königliches Privileg würde ich nicht sagen: Es ist ja im Gegenteil ein Versuch, zu verhindern, dass der Rundfunk in die Hand des Staates oder völlig unter den Einfluss einer Industrie gerät. Allerdings stimmt es, dass diese Regulierung zunehmend problematisch wird, weil es – etwa im Internet – mittlerweile ganz andere Distributionsformen für ‚Bewegbilder‘ gibt. int:bes