: Nicht zum Wohle des Kindes
Mutter sollte Ganztags-Kita-Platz verlieren, sobald ihre Umschulung endet. Auf taz-Nachfrage räumt das zuständige Bezirksamt Mitte Fehler ein. Einer SPD-Umfrage zufolge wird fast jeder fünfte Kita-Gutschein heruntergestuft
von Kaija Kutter
Als Sabine Voß Anfang August ihren neuen Kita-Gutschein abholte, bekam sie einen Schreck. Ihre vierjährige Tochter Wanja, so hatte die Sachbearbeiterin der Kita-Abteilung im Bezirksamt Mitte entschieden, sollte ab Januar kommenden Jahres nur noch fünf Stunden am Tag betreut werden. Begründung: Voß‘ Umschulung zur Bürokauffrau ende im November, also habe sie keinen Bedarf an einem Ganztagsplatz mehr.
Die allein erziehende Mutter wollte aber unbedingt den Platz für ihre Tochter behalten. „Ich möchte nicht, dass der eingespielte Tagesrhythmus meines Kindes durcheinander kommt“, sagt sie. Auch bewirbt sie sich intensiv um eine Anstellung nach den Prüfungen, die erst im Januar abgeschlossen sein werden.
Die Frage, ob es pädagogisch für Kinder verkraftbar ist, wenn sie ihren Kita-Platz verlieren oder gekürzt bekommen, weil sich die Lebenslage der Eltern ändert, wurde zur Zeit der Kita-Gutscheineinführung heiß diskutiert. „Ich muss aus der Kita raus, weil Papa keine Arbeit hat“, hieß es da beispielsweise auf dem Plakat einer Elterninitiative. Schließlich gab der CDU-FDP-Schill-Senat im Januar 2004 nach und erlaubte für diese Kinder eine zwölfmonatige Übergangsfrist.
Davon erfuhr auch Voß, als sie bei einer Frauenberatungsstelle Hilfe suchte. Dort erfuhr sie auch von der entsprechenden Globalrichtlinie und legte Mitte August schließlich Widerspruch beim Bezirksamt ein. Zwei Wochen lang passierte dann nichts. Bis die taz im Bezirksamt nachhakte. „Da ist uns“, erklärt Bezirkssprecherin Sorina Weiland, „ein Fehler unterlaufen.“ Die Kita-Abteilung werde sich umgehend mit der Mutter in Verbindung setzen.
Allerdings hat Sabine Voß noch Glück, denn in die erwähnte Globalrichtlinie hat der Senat eine Hürde eingebaut: So entfällt die Übergangsfrist, wenn eine Arbeit oder Ausbildung weniger als sechs Monate gedauert hat.
„Wie die Behörde das Kita-Gutscheinsystem umsetzt, orientiert sich nicht am Wohl des Kindes“, kritisiert prompt die SPD-Kitapolitikerin Andrea Hilgers. Die Sozialwissenschaftlerin hatte im Frühjahr eine Umfrage unter 218 Kitas gestartet und die Daten auf alle 813 Hamburger Einrichtungen hochgerechnet.
Ihr Fazit: Mit 9.700 Fällen wird in diesem Jahr nahezu jeder fünfte Kita-Gutschein heruntergestuft. Nur in neun Prozent der Fälle passiere dies auf Wunsch der Eltern, in der Mehrheit dagegen, weil die Eltern arbeitslos wurden, weniger Stunden arbeiteten oder wegen eines neuen Babys in Elternzeit gingen. Rund 2.600 Kinder haben den Krippen- oder Hortplatz sogar ganz verloren.
Hilgers will ihre Studie mit neuen Daten untermauern und fragt nun den Senat in einer großen Anfrage danach, wie viele Fälle von Herabstufung oder Gutscheinentzug es aus welchen Gründen gab. Zuvor hatte der Senat die Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema verweigert – mit dem Hinweis, es sei zu aufwendig, dies zu ermitteln.