: Schießen, prügeln, kandidieren
VON ASTRID GEISLER
Der nette Fahrlehrer, der Herr Doktor von nebenan, rechtschaffene Leute allesamt, so bieder wie bürgernah – mit diesen Bildern ihrer Kandidaten gelang der NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen ein Sensationserfolg, sie bekam 9,2 Prozent. In ihrem Wahlprogramm wettern die Rechtsextremen gegen die angeblich steigende Gewaltkriminalität, fordern „Opferschutz statt Täterschutz“ und dass Verbrechen sich nicht länger „lohnen“ dürften. Unter den insgesamt 389 Bundestagskandidaten der NPD tummeln sich jedoch diverse Möchtegern-Parlamentarier, die mit ganz besonderen Qualitäten auffielen – als Räuber, Schläger oder Söldner.
Die meisten von ihnen sind nicht älter als Mitte 30, haben aber bereits einige Zeit im Knast hinter sich. Es sind Größen aus der Neonazi-Szene wie Thorsten Heise, Norman Bordin oder Marcus Winter – aber auch Alexander Neidlein, ein baden-württembergischer Jungkader aus der NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN). In ihren Strafregistern steht weit mehr als die in rechtsextremen Kreisen häufigen Vorstrafen wegen so genannter Propagandadelikte wie Volksverhetzung.
Eine Serie von Versehen? Dafür spricht nichts. Im Gegenteil: „Das ist ein Signal nach innen“, urteilt der Rechtsextremismus-Fachmann David Begrich vom Verein „Miteinander“ in Halle. Gerade in der Neonaziszene ist die Kooperation mit der NPD im Rahmen der „Volksfront“-Strategie umstritten. Den Kameraden fällt es schwer, sich mit einer Partei wie der NPD anzufreunden. Dass Parteichef Udo Voigt auch die – aus Kameradschaftssicht allzu brav und bieder agierende – DVU mit ins Boot geholt hat, verlangt den Neonazis einige Kompromissbereitschaft ab. Viele militante Kameraden zweifeln ohnehin, ob der Weg ins Parlament überhaupt der richtige ist. Ein paar vorbestrafte Gewalttäter und ehemalige Knastgänger unter den Kandidaten können die „Street Credibility“ der „Volksfront“ deshalb nur verbessern.
Prominentester Mittler für die militante Zielgruppe ist Thorsten Heise, 36, langjähriger Führer der Kameradschaft „Northeim“ – und als Verbindungsmann zur Neonazi-Szene unlängst in den NPD-Vorstand berufen. Heise ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Nötigung und Landfriedensbruch. Der frühere niedersächsische Landeschef der inzwischen verbotenen FAP saß deshalb mehrere Jahre in Haft. Erst im Frühjahr 2003 beschlagnahmte die Polizei auf seinem Anwesen im thüringischen Fretterode hunderte CDs, Waffen und Munition. Nun kandidiert Heise für den Bundestag – auf Platz vier der thüringischen Landesliste und als Direktkandidat im Wahlkreis Eichsfeld-Nordhausen.
Der Anstifter
Auch der Münchner Norman Bordin, 28, polierte sein Straßenkämpferprofil, bevor er der NPD beitrat. Richter befanden den Neonazi unter anderem der Körperverletzung für schuldig und verurteilten ihn zu 15 Monaten Gefängnis, weil er mit anderen Skinheads in München einen brutalen Überfall auf einen Griechen verübt hatte. Nach seiner Entlassung beerbte Bordin den Rechtsterroristen Martin Wiese als Anführer der „Kameradschaft Süd/München“. Die bayerische NPD wählte ihn auf Platz zehn der Landesliste und kürte ihn zum Direktkandidaten im Landkreis München, dem Wahlbezirk, in dem auch Noch-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) antritt.
Das Wahlrecht steht diesen Nominierungen nicht im Wege: Selbst ehemalige Schwerverbrecher dürfen kandidieren, solange ihnen nicht per Gerichtsurteil ausdrücklich die Wählbarkeit aberkannt wurde. In der Praxis seien solche Richtersprüche „ausgesprochen selten“, sagt Hans-Jürgen Kegler, stellvertretender Landeswahlleiter in Niedersachsen. Denn die Aberkennung des so genannten passiven Wahlrechts sei ein gravierender Eingriff in die Bürgerrechte, der nur im Ausnahmefall angewendet werde, so Kegler: „Zum Beispiel wenn jemand eine Wahl fälschen wollte.“ All jenen, die trotz einschlägig krimineller Biografie ihr Wahlrecht behielten, winkt für den erfolgreichen Einzug ins Parlament eine attraktive Belohnung: die Immunität.
So kann auch die schleswig-holsteinische NPD guten Gewissens auf einen Exkriminellen setzen: Ihr Direktkandidat in Lauenburg, südlich von Mölln, Heinrich Förster (78) wurde 1995 vom Schweriner Landgericht wegen versuchten Mordes zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach Überzeugung der Richter hatte er drei Jahre zuvor Jugendliche zu einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim im mecklenburg-vorpommerschen Boizenburg angestiftet: Etwa dreißig junge Leute waren damals mit Molotowcocktails und Schreckschusspistolen bewaffnet auf das örtliche Flüchtlingswohnheim losgegangen. Die Polizei konnte den Überfall in letzter Sekunde stoppen.
In Niedersachsen findet sich unter den Direktkandidaten Marcus Winter, Jahrgang 1979, ehemaliger Anführer der Kameradschaft Weserbergland, der wegen Misshandlung eines Schülers in Haft saß – und nur unter Auflagen freikam. Nun tritt er im Wahlkreis Nienburg II-Schaumburg zur Wahl an. Gegen den niedersächsischen NPD-Youngster Martin Zaha, Jahrgang 1985, hat die Staatsanwaltschaft Stade erst im Februar dieses Jahres zwei Anklagen erhoben – wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Staates. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz bestätigte, soll der Zivi im Dezember gemeinsam mit einem Bekannten einen Fußgänger mit dem Auto verfolgt und ihn dann angehalten, zu Boden gerissen, geschlagen und getreten haben. Zwei Verfahren vor dem Jugendgericht stünden noch aus – trotzdem kam Zaha auf Platz 13 der niedersächsischen Landesliste.
Der Söldner
In Stuttgart schickt die NPD einen Nachwuchspolitiker mit besonders bewegter Vita ins Rennen: Alexander Neidlein, Jahrgang 1974, verdingte sich nach Angaben des „Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus“ (IDGR) Anfang der 90er-Jahre als Söldner an der Seite der kroatischen Faschisten. Später habe er mit zwei Komplizen ein Lübecker Postamt überfallen, mit der Beute von 8.500 Mark eine Reise nach Südafrika finanziert, um dort Rechtsterroristen seine Dienste anzubieten. Laut IDGR wurde Neidlein 1994 in Südafrika wegen illegalen Waffenbesitzes zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt und abgeschoben; Lübecker Richter verhängten eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren gegen ihn.
Seiner Politkarriere stand die Auslandserfahrung nicht im Weg. Neidlein arbeitet heute beim NPD-Verlag in Riesa, ist Landeschef der Nachwuchsorganisation JN in Baden-Württemberg und Direktkandidat.
Die baden-württembergische NPD wollte Neidleins Vita nicht kommentieren: Er halte nichts von „Gesinnungsschnüffelei“, erklärte der Landessprecher der taz. Auch in der Berliner Parteizentrale hat man mit Kandidaten wie Neidlein ganz offensichtlich kein Problem. Die NPD betrachte es auch als ihre Aufgabe, jungen Leuten eine Heimat zu bieten, die sich von ihrer Straftäter-Vergangenheit distanzierten, versicherte der Parteisprecher auf Nachfrage: „Wenn der Staat nicht resozialisiert, müssen wir das tun.“