berliner szenen: Statt Baby lieber Puff oder Kneipe
Weil ein blödes Mistwetter vom Himmel fällt, nehmen mein Fahrrad und ich die U-Bahn. Sitzt auf dem Bahnsteig ein dicker Mann mit schwarzem Bart. Aufrecht und hellwach thront er auf einer Bank und ruft allen, die vorbeikommen, mit fisteliger Stimme „Eine kleine Spende!“ entgegen. Jedes Mal klingt es wie eine freudige Begrüßung. „He, Miss Radfahrerin!“ Das gilt mir, die ich mich ans andere Ende der Bank gesetzt habe. „Eine kleine Spende!“ – „Nee, grade nich“, sage ich und mache dieses halbfreundliche Abwehrschütteln mit dem Kopf. „Na, dann schönen Tag noch!“, sagt er munter. „Danke, Ihnen auch“, murmle ich und will gerade in Gedanken versinken, da gehen zwei Männer vorbei.
Der eine hat sich ein Baby unter den Arm geklemmt wie ein großes Holzscheit. Vorne guckt der Kopf raus, hinten ragen zwei Beinchen in die Luft, abgespreizt im dicken blauen Schneeanzug. „He!“, ruft mein Nachbar dem Mann zu. „Hast du gefunden? Wo? Ich kann dir abkaufen! Hey! Du brauchst nicht Baby, ich nehme! Komm zurück! Ich habe Geld! Ich kann dir geben!“ Er wird lauter, aber der Babyträger ist anscheinend taub. Kaum merklich erhöht er das Schritttempo. Schon ist er weg.
Der Bärtige sagt: „Er hat nicht geglaubt, ich kann bezahlen. Aber ich habe Geld!“ Er öffnet seine Hand und zeigt es: So sieben, acht Euro könnten es schon sein. „Reicht nicht“, sage ich kennerisch, „Babys sind teurer.“ – „Wie teuer?“, fragt er. „Zehntausend?“ – „Nee, viel mehr! Vielleicht so zwei Millionen?“, übertreibe ich. „Schließlich muss man noch investieren. Viele Jahre lang!“ – „Ach, wie gut, dass ich nicht habe Baby gekauft!“, ruft er aus. „Investiere ich Geld lieber in Puff oder in Kneipe!“
Da kommt die U-Bahn. Ich steige ein; er nimmt sein Geschäft wieder auf. „He! Schöner Mantel! Eine kleine Spende!“ Katharina Granzin
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