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Archiv-Artikel

Glück Auf, der Statistiker kommt

Elf Tage vor der Wahl holen die Sozialdemokraten auf. Doch auch im einstigen Stammland wird die Wahl zur Zitterpartie: Mehrheiten sind der SPD nur im Revier sicher – der Rest des Landes wählt CDU

VON ANDREAS WYPUTTA

Nach dem TV-Duell zwischen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder und seiner christdemokratischen Herausforderin Angela Merkel holen Nordrhein-Westfalens Sozialdemokraten auf. „Wie im gesamten Bundesgebiet gelingt der SPD die Rückgewinnung ehemaliger Wähler“, so Manfred Güllner, Chef des Meinungsinstituts forsa, zur taz. „Die CDU tritt in Nordrhein-Westfalen schon seit längerem auf der Stelle“, sagt auch Matthias Moehl vom Wahlinformationsdienst election.de.

Grund sei vor allem der Auftritt Schröders beim TV-Duell, bei dem der Kanzler von den Zuschauern im Gegensatz zu vielen Journalisten als Sieger wahrgenommen wurde. Inhalte wie die Steuerkonzepte des CDU-Finanzexperten Paul Kirchhof oder die Energiepolitik erreichten die Menschen kaum, glaubt Güllner: „Das verstehen die Wenigsten.“

Wie im Bund wird die Wahl damit auch im größten Bundesland zur Zitterpartie. Zwar liegen die Christdemokraten bei den vor Ort zu wählenden Direktkandidaten zur Zeit deutlich vorn. Wenn heute gewählt würde, erhielten sozialdemokratische Bewerber nur im Ruhrgebiet und in Großstädten Köln und Düsseldorf eine Mehrheit – die CDU-Kandidaten könnten in 39 von 64 Wahlkreisen gewinnen. Vor wenigen Tagen gekippt ist dagegen Bielefeld. „Ein typisches Phänomen für eine Universitätsstadt, in denen die SPD traditionell stark ist“, analysiert Moehl.

Ein Wahlsieg der Sozialdemokraten aber gilt als äußerst unwahrscheinlich: „Die SPD wird im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 Verluste hinnehmen müssen“, so Moehl. Güllner dagegen, der den Sozialdemokraten vor Wochen eine „katastrophale Niederlage“ prophezeit hatte, relativiert sein Urteil bereits vorsichtig. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Katastrophe abgewendet wird“, so der forsa-Chef gestern zur taz. Election.de sieht die CDU in Nordrhein-Westfalen derzeit bei rund 45, die SPD um die 35 Prozent – doch dabei sind Abweichungen von mehreren Prozent durchaus wahrscheinlich. Die Grünen kämen nach der Prognose der Hamburger Wahlforscher auf sieben, die Linkspartei auf fünf und die FDP auf acht Prozent.

Vielen altgedienten Sozialdemokraten droht damit noch immer eine bittere Wahlniederlage vor Ort. Prominentestes Opfer könnte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt werden, die ihren Wahlkreis in der Universitätsstadt Aachen bei der Bundestagswahl 2002 noch souverän mit über zehn Prozent Vorsprung gewinnen konnte. Michael Müller, stellvertretender Chef der Bundestagsfraktion, würde sein Düsseldorfer Direktmandat ebenso verlieren wie die Kölner Sozialdemokratin Lale Akgün – mit Köln II steht auch der Wahlkreis der Migrantin auf der Kippe. Entschieden sei aber noch nichts, so forsa-Chef Güllner: „In NRW sind viele sozialdemokratische Stammwähler verunsichert. Der Anteil der Unentschlossenen ist deshalb besonders hoch.“