zwischen den rillen
: Digitaler Organismus

Superorganism: „s/t“ (Domino/GoodToGo)

Wenn man wissen will, wie Popbands sich im Zeitalter des globalen Dorfs formieren, so sollte man sich die Gründungsgeschichte von Superorganism anschauen. Denn die darf als Paradebeispiel der Bandgründung im Netzzeitalter gelten.

In Musikforen und in den Kommentarspalten von YouTube lernten sich die unter anderem aus Neuseeland, Australien und Südkorea stammenden GründerInnen von Superorganism kennen, tauschten Nachrichten, Musik und Songideen aus, teilten über Kontinentgrenzen hinweg ihre Liebe zum Pop. Bei einem Konzert in Tokio lernten schließlich Mitglieder der heutigen Bandbesetzung – damals noch versammelt in der Gruppe The Eversons – die junge Japanerin Orono Noguchi kennen. Man kam ins Gespräch, besuchte zusammen den Zoo und das Hard Rock Café. Am heimischen Laptop nahm Noguchi schließlich den Gesangspart zur ersten Single „Something For Your M.I.N.D.“ auf, die dem Kollektiv Fans wie Frank Ocean und Ezra Koenig von Vampire Weekend bescherte – und beinahe mächtig viel Ärger: Dass sie den 1990 veröffentlichten Track „The Realm“ von C’hantal gesampelt hatten, wurde Superorganism nach eigenen Angaben erst bewusst, als sich die ersten Fans im Internet über ein Wiedersehen mit dem alten House-Hit freuten. Auch eine hübsche Geschichte, die viel über den unbekümmerten Forschergeist der Bandmitglieder aussagt.

Mittlerweile leben die acht KünstlerInnen gemeinsam in einem Haus in London, um neben Songideen und Soundfiles auch den Alltag zu teilen. Ihre Vorgeschichte macht Superorganism zum modernen Vorzeigekollektiv, wie geschaffen, um noch dem letzten Technikpessimisten zu beweisen, dass digitale Kommunikation den Pop nicht entzaubern muss. Der Sound aus der Kreativkommune hingegen erzählt uns wenig über die Musik der Zukunft – sondern viel mehr darüber, wie die Generation Y, aus der sich die Band rekrutiert, aufgewachsen ist.

Denn das selbstbetitelte Debüt trägt die DNA einer Kindheit und Jugend zwischen Neunzigern und Nullerjahren, geprägt von Nintendo64 und Klingeltonwerbespots. Superorganism vertonen – wie man vielleicht nicht erwarten würde – das Lebensgefühl der Prä-Spotify-Ära, in der MTV und YouTube für einen kurzen Moment in der Geschichte ebenso gleichberechtigt koexistieren konnten wie Beck- und Ibiza-EDM-Songs auf dem iPod eines jungen Popfans. In „Something For Your M.I.N.D.“ klingt, unterbrochen von Samples und Störgeräuschen, die Schluffigkeit von 90er Bands wie Weezer an; eine einsame Bottleneck-Gitarre hallt herüber aus alten Rock-’n’-Roll-Tagen, deren Zauber man sich einst aus dem Plattenkanon der Eltern erschloss.

YouTube und Plattensammlung

Zusammengehalten werden die quecksilbrigen, überdrehten Songs von Sängerin Orono Noguchi, deren Ennui dem unangestrengten Slacker-Rock von Bands wie Pavement entlehnt scheint. Im Opener „It’s All Good“ fragt sie eine Radiosprecherstimme aus dem Off zum verschleppten Beat, ob sie aufstehen mag oder gedenkt, nichts zu tun; dazu ticken Uhren und surren Synthies, deren Klang an alte Videospiele erinnert.

Obgleich der Sample-lastige Elektroniksound von Formationen wie den Avalanches spürbar prägend für das Schaffen von Superorganism ist, klingen die mit Ideen und Twists gefüllten Songs des Kollektivs nie nach postmodernem Zeichenwirrwar – sondern nach süßem, zurückgelehntem Pop. Was auch an der antielitären Attitüde der Band liegen dürfte: Superorganism sind erklärte Mainstream-Fans und wertschätzen den auf Überwältigung abzielenden Sound einer Katy Perry ebenso wie Abseitiges. Klar, dass der Klang, der daraus resultiert, so unwiderstehlich und erschöpfend sein muss wie eine Jugend zwischen YouTube und der Vinylsammlung der Eltern. Julia Lorenz