: Die Independent-Enklave
Seit gestern Abend läuft das 12. Oldenburger Filmfestival – und wieder drücken sich die Vertreter eines Independent Hollywood die Klinke in die Hand. Darunter: Christopher Coppola und die Wilson-Brüder aus „Starsky & Hutch“
Für ein paar Tage ist Oldenburg nun wieder eine Enklave des unabhängigen Hollywood. Kein anderes Filmfestival in Deutschland zeigt so viele Filme von jungen US-amerikanischen Filmemachern. Festivalgründer und Leiter Thorsten Neumann hat sich vom ersten Jahr an auf diese konzentriert. Inzwischen hat er so gute und enge Kontakte zur dortigen Filmszene, dass es schon Stammgäste wie Seymour Cassel gibt, der auch in diesem Jahr wieder erwartet wird. Und mit Christopher Coppola kommt gar ein Mitglied des mächtigen Filmemacherclans in die niedersächsische Provinz, um hier auf einem Panel über das High Definition Kino zu diskutieren – und eine Episode seiner Fernsehserie „Bikerchef“ zu drehen, in der er das Motorradfahren mit dem Kochen verbindet.
Für solche ungewöhnlichen Aktionen ist das Oldenburger Filmfest berühmt. Im letzten Jahr drehte etwa der Filmemacher Robert Peters während des Festivals einige Szenen für seinen nächsten Film, der nun als Weltpremiere unter dem passenden Titel „Untitled German Musical“ gezeigt wird. Und auch die beiden „99-Euro-Filme“, die in den letzten beiden Jahren in die Programmkinos kamen, waren Produktionen des Oldenburger Filmfestivals.
Der traditionelle Eröffnungsabend mit geladenen Gästen im schönen alten Wallkino wurde gestern Abend zelebriert, und ab heute Nachmittag um 17.30 Uhr werden in sieben Abspielstätten bis Sonntag Nacht über 60 Filme gezeigt. Dabei ist den Programm-Machern immer das freche, provokante Kino lieber als die hehre Filmkunst. Die Retrospektive ist etwa mit Ken Russell einem der bösen Buben des britischen Kinos gewidmet. Der maßlos barocke Exzentriker wurde für Filme wie „The Devils“ und „Lisztomania“ wütend beschimpft. Sein berühmtester Film „Tommy“ wird leider nicht in Oldenburg gezeigt, dafür aber sein neuestes Underground-Epos mit dem bezeichnenden Titel „Hot Pants!“
Als Stargäste des Festivals können Owen und Luke Wilson bewundert werden, die gerade mit populären Hollywoodfilmen wie „Starsky & Hutch“ und „Wedding Crashers“ Erfolg haben. Mit „The Wendell Baker Story“ haben sie auch selber einen Film inszeniert, der bei der „Closing Night Gala“ am Sonntag Abend als internationale Premiere gezeigt wird.
Mit „Love“ wird einer der Filme der Independent-Reihe zusammen mit dem Regisseur Vladan Nikolic direkt vom Filmfestival in Venedig eingeflogen – bei solch einer hippen Meldung ist es dann schon fast egal, ob der Film nun gut ist oder nicht.
Auch diese spektakuläre Außendarstellung haben die Organisatoren des Festivals mit den Jahren von ihren amerikanischen Freunden übernommen. Sie geben sich so gar nicht norddeutsch und machen sich selbstironisch in ihrem Werbespot über ihre angebliche provinzielle Beschränktheit lustig.
Eine neue Entwicklung ist die Hinwendung zum Dokumentarfilm. Mit „Mädchen am Sonntag“ hat RB Kahl eine Charakterstudie von vier jungen Schauspielerinnen extra für das Filmfest produziert, und mit „The Aristicrats“ könnte eine Dokumentation auch zum Skandalfilm des Festivals werden. In diesem passiert nichts weiter, als dass ein einziger Witz immer wieder erzählt wird. Allerdings von den 100 besten US-Komikern, und er ist extrem unanständig. Also perfekt für Oldenburg ! Wilfried Hippen