Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Die Trilogie „Krieg“ von Rainald Goetz ist ein Produkt der alten Bundesrepublik, in deren Hauptstadt Bonn „Krieg“ 1987 auch uraufgeführt wurde. Da redeten Altachtundsechziger mit schönen Namen wie Stammheimer und Stockhausen über ihre Revolte wie ihre Väter über die Schlacht bei Stalingrad. Damalige Westberliner Boulevardrecken wie Harald Juhnke und Bubi Scholz (der gerade seine Frau erschossen hatte) palaverten böse vor sich hin. Es war die bleierne Endphase der geschichts- und gesichtslosen Bonner Republik, was natürlich damals noch niemand ahnte. Worüber vielleicht noch nicht einmal heute sich die Leute wirklich klar geworden sind, denn es geht ja noch immer so weiter wie damals schon. Das heißt: Dumpfbackige Bürger schwätzen, treten in Hundekacke, gucken fern und hetzen. Von der AfD sprach damals noch kein Mensch. Aber da waren diese Kräfte schon damals. „Prost, Ihr Ärsche, Klassenkampf!“ Fünf Jahre vor der Uraufführung von „Krieg“ im Jahr 1987 war der junge Goetz beim Klagenfurter Literaturwettbewerb verhaltensauffällig geworden, als er sich während seiner Lesung vor versammelter Kritikermannschaft mit einer Rasierklinge die Stirn aufschlitzte. Der Literaturbetrieb, der damals wirklich noch einer war, sollte mal richtiges Blut sehen. So viel blutiger Ernst wirkt heute fast rührend. Mal sehen, ob das Stück noch passt. Denn nun kommt „Krieg“ also in der aktuellen Bundeshauptstadt Berlin heraus, am Berliner Ensemble auch noch. Es inszeniert Robert Borgmann, Spezialist für Sperriges und Abgründiges. (BE: „Krieg, Premiere 17. März, 19 Uhr).
Überhaupt liebt ja das Theater den Abgrund, in den sich vom Plüschsessel aus immer besonders komfortabel blicken lässt. Auch „Virgin Suicides“ von Jeffrey Eugenides ist so ein Stoff: Fünf Schwestern einer sittenstrengen Familie in der Vorstadt setzen alles daran, die Hölle der Pubertät nicht zu überleben, und schaffen das auch. Den Höllen des Lebens ist auch die Regisseurin Susanne Kennedy verfallen, die immer neue technisch hochgerüstete wie ausweglose Lebens- und Theaterknäste baut – zuletzt mit „Women in Trouble“ in der Volksbühne. Nun kommt dort ihre im vergangenen Frühjahr an den Münchner Kammerspielen gezeigte Version der „Virgin Suicides“ am Rosa Luxemburg Platz heraus (Volksbühne: „Die Virgin Suicides“, Premiere 15. 3., 19.30 Uhr).
Warum in unserer Welt gerade so fiese Phänomene wie Rassismus, Nationalismus und Hass sich ausbreiten, das untersucht im Haus der Kulturen der Welt vom 15. bis zum 17. März das Symposium „Gefährliche Konjunkturen“ (alle Infos: www.hkw.de).
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