Die Wurst aus dem Requisitengrundkurs

Klischees erster Klasse: der liebevolle Vater, die treue Mutter, die hungrigen Augen der Kinder. Was in Ron Howards Film „Das Comeback“ als soziales Engagement gefeiert wird, ist nichts als sentimentaler Käse. Wahrscheinlich freut man sich deshalb so, wenn in den Boxszenen endlich die Fäuste fliegen

VON SEBASTIAN FRENZEL

Das Leben des James Braddock ist Legende: Ende der 1920er-Jahre laufen die Dinge gut für den Schwergewichtsboxer, er schlägt einen Gegner nach dem anderen und ein Weltmeisterschaftskampf scheint nur eine Frage der Zeit. Dann aber werfen ihn zahlreiche Verletzungen zurück, und so schnell wie sein Ruhm kam, so schnell wendet sich sein Glück. Braddock muss die Boxhandschuhe schließlich an den Nagel hängen. Sein persönlicher Abstieg – und das macht Braddocks Geschichte zu einem Role Model für das Schicksal der Massen – fällt zusammen mit der Großen Depression, in die die Vereinigten Staaten und mit ihnen die halbe Welt stürzt.

Braddock verarmt wie viele Millionen Amerikaner: Der Kampf im Ring wandelt sich zu einem Kampf ums nackte Überleben. 1934 steht er vor dem Abgrund: Sein Haus hat er verloren, und die Gelegenheitsjobs reichen nicht aus, um seine Familie durchzubringen. Der Zufall beschert ihm eine Chance, Braddock wird noch einmal für einen Boxkampf gebucht, doch er ist nicht mehr als Kanonenfutter. Als er wider Erwarten gewinnt, folgt eine Reihe von schier unglaublichen Siegen, die ihn zum Helden der kleinen Leute macht und die erst enden wird, als er im Weltmeisterschaftsfight gegen Max Baer antreten muss.

Eine Geschichte also, wie sie das wahre Leben selten schreibt und wie geschaffen für einen Film. Und wie geschaffen dafür, großen Käse daraus zu machen. Eine mühsame erste halbe Stunde erzählt Regisseur Ron Howard von Braddocks (Russel Crowe) Abstieg und seinem Leben in Armut, und dabei stimmt einfach jedes Klischee: Das Licht ist trübe, farblos ist die Szenerie – und auch für die Figuren gibt es genau ein passendes Adjektiv: der liebevolle Vater Braddock, der seine tapferen Kinder über die Runde bringen will. Die treue Ehefrau Mae (Renée Zellweger), die ihren Mann unterstützt. Selbst die armselige Wurst auf dem Teller scheint dem Requisitengrundkurs entnommen: Armut kommt ohne Beilagen daher, groß und hungrig sind gleichwohl die Augen der Kinder.

Der Film dämmert also ziemlich trostlos dahin. Dann aber kommt der erste Fight – der Beginn von Braddocks Comeback – und diese Boxszene ist schlichtweg grandios. Schnell wie die Fäuste fliegt die Kamera von einer Ecke in die nächste, aus immer neuen Winkeln sieht man den Kampf und wird in die Intimität des Boxduells hineingezogen. Das hat nichts von der Leichtigkeit und Eleganz der Martial Arts, sondern zielt direkt auf den Körper. Die Kamera ist so atemberaubend nah dran am Geschehen, dass man die Wucht der Punches zu spüren meint.

Russel Crowe, so heißt es, hat bei den Dreharbeiten einige Zähne verloren.

Braddock kämpft sich wieder hoch. Er tritt gegen Boxer an, die ihm haushoch überlegen sein müssten und besiegt einen nach dem anderen. Auf einer Pressekonferenz kann er zusammen mit seinem Manager (Paul Giamatti) schließlich seinen Fall darstellen, als ehrlicher, hard-working Mann der Massen tritt er auf. Der Film ist kritisiert worden dafür, ein allzu deutliches Plädoyer für Roosevelts New Deal abzuliefern und in Zeiten von Bushs nicht eben mitfühlendem Konservatismus das Recht auf staatliche Unterstützung einzufordern. Doch im Grunde ist er reaktionär über alle Parteigrenzen hinaus. Braddock jedenfalls betont, dass er seine Sozialhilfe sobald wie möglich zurückbezahlt hat. Man tut also gut daran, den Film als reinen Boxfilm zu sehen und sämtliche politischen oder gesellschaftlichen Bezüge zu vergessen.

Zum großen Showdown wird schließlich der Weltmeisterschaftskampf zwischen Braddock und Max Bear. Die Rollen sind klar verteilt: Braddock, der irischstämmige Sympath gegen die arrogante Kampfmaschine Bear, der bereits zwei seiner Gegner zu Tode geprügelt hat. Über die volle Distanz geht dieser Fight, und ob man den Ausgang kennt oder nicht – man wird mitfiebern bis zur letzten Sekunde.

„Das Comeback“, USA 2005,145 Min. Mit Russell Crowe, Renée Zellwegger, Paul Giamatti. Regie: Ron Howard