Wildwuchs bei französischem Genmais

In einem Jahr hat sich die Anbaufläche um mehr als das Sechzigfache erhöht. Landwirte nutzen rechtsfreien Raum

PARIS taz ■ Still und heimlich haben französische BäuerInnen den Anbau von genmanipulierten Maispflanzen radikal erhöht. Während sich die Protestaktionen der Ökobewegung auf kleine und vielerorts von Gendarmen bewachte Anbauflächen konzentrieren, wo genmanipulierte Maispflanzen für Forschungszwecke gezüchtet werden, bebauten BäuerInnen in den Départements des Südwestens in diesem Jahr völlig unbehelligt rund 1.000 Hektar Land mit Genmais für eine rein kommerzielle Nutzung. Das fand jetzt die Pariser Zeitung Figaro heraus. 2004 waren erst 17 Hektar mit Genmais bebaut. Das Saatgut für die Pflanzen haben die BäuerInnen im benachbarten Spanien erworben. Dorthin verkaufen sie auch die Ernte ihrer Felder – als Viehfuttermittel.

Die BäuerInnen handeln nicht illegal. Denn der Anbau von Genmais ist in Frankreich durch kein Gesetz geregelt. Im Gegensatz zu Nachbarländern wie Deutschland wartet die Regierung in Paris seit Jahren untätig ab. GenmaisbäuerInnen in Frankreich müssen ihren Anbau nicht deklarieren. Sie müssen ihre Felder nicht kenntlich machen. Sie müssen nicht für Sicherheitsabstände zu anderen Feldern sorgen. Und auch nicht für die Sauberhaltung benachbarter Anbauflächen.

In diesem rechtsfreien Raum konnten Konzerne wie Monsanto und Pioneer, unterstützt von der mächtigen Maisbauernvereinigung AGP, ihren Spielraum ausdehnen. Kommunikation über Genmais hält AGP-Präsident Christophe Terraind für „nicht hilfreich“. Der gewöhnlich über die Geschäfte seiner Branche gut informierte Mann erklärt jetzt, dass er keine Ahnung habe, ob es in Frankreich mehr als 500 Hektar mit solchen Pflanzen bebauten Landes gebe.

„Der kommerzielle Anbau von Genmais ist längst eine Realität“, konstatiert der französische Forscher Pierre-Benoît Joly, der die aufgeregte Debatte über die Genmanipulationen in der Landwirtschaft seit ihren Anfängen in den 90er-Jahren verfolgt. Im nächsten Jahr, so ist Joly überzeugt, wird der Anbau von Genmais in Frankreich noch radikaler zunehmen.

Der französische Landwirtschaftsminister Dominique Bussereau, der vielfach wegen seiner Untätigkeit gerügt worden war, versucht sich herauszureden. „Ich muss die Zahlen erst überprüfen.“

Zugleich kündigt er an, dass er noch in diesem Herbst ein Gesetz über den Anbau von Genmais vorschlagen werde. Davon erwarten französische GenmaisgegnerInnen wenig Gutes. In den Sommermonaten ist ihnen die Justiz nach Kommandoaktionen auf Forschungsfeldern mehrfach mit harten Strafdrohungen begegnet.

Die KritikerInnen befürchten, dass sich das französische Gesetz am Vorbild von Spanien orientieren wird. Das Land ist der größte Genmaisproduzent in der EU. Mit 80.000 Hektar Anbaufläche in diesem Jahr.

Der Biobauer im Poitou-Charentes, Genmais-Gegner und Sprecher der Landwirtschaftskommission der französischen Grünen, Jacques Maret ist „kein bisschen überrascht“ über die neuen Zahlen von Genmaisanbau in Frankreich. Dazu habe der „liberale Kurs der Regierung“ und der „Druck der Bauernlobby geführt“, sagt er. Zusammen mit anderen GenpflanzengegnerInnen bereitet Maret eine Klage wegen Vergiftung vor.

DOROTHEA HAHN