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Archiv-Artikel

Rot-rote Einheitsfront für den Bundestag

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um die Mandate? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Krefeld II / Wesel II

Krefeld II/Wesel II?

Der Wahlkreis 115 umfasst umfasst die Städte Moers, Neukirchen-Vluyn und einen Teil von Krefeld. Insgesamt 250.000 Einwohner. Und über allen schwebt der regionale Strukturwandel. 2002 machte die Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn dicht. Die letzte im Wahlkreis. Mehrere Tausend Arbeitsplätze fielen weg. Ein Teil wurde ins benachbarte Verbundsbergwerk West, nach Kamp-Lintfort ausgelagert. Ins Wanken könnte die „rote Enklave“ geraten – der Rest des linken Niederrheins ist tiefschwarz, erzkatholisch und in Bauernhand. Mit knapp zehn Prozent Arbeitslosen bewegt man sich noch im Rahmen. Und sonst? Bayer produziert weiter in Uerdingen, die Krefelder Seide glänzt nicht mehr ganz so golden, und Hans-Dieter Hüsch sah auch schon mal besser aus. Großen Sport gibt es auch nirgendwo mehr zu sehen. Der insolvente KFC Uerdingen spielt in der viertklassigen Oberliga.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Sozialdemokrat Siegmund Ehrmann (53) gewann zuletzt recht souverän. 51,5 Prozent. Die Partei blieb fünf Punkte dahinter. Der ehemalige Kulturdezernent der Stadt Moers hat sich vor allem um den Erhalt des weltbekannten Moerser „New-Jazz Festivals“ und um das Schlosstheater verdient gemacht – auch als die frühere Grafschaft unter schwarz-gelber Herrschaft stand. In Berlin stehen Kultur und Medien auf dem Programm. Die Partei dankt es ihm nur bedingt. Landesliste Platz 46.

Wer will den Wahlkreis?

Karin Meincke (CDU). Die gelernte Krankenschwester will erstmals in den Bundestag. Der Arbeitsschwerpunkt der verhinderten Ordensschwester – als Kind die Zähne mit Seife geputzt – soll, natürlich, im Bereich der Pflege liegen. Dafür müsste Karin Meincke den Wahlkreis gewinnen. Denn auch ihr Listenplatz verheißt nichts gutes. Platz 55. Sollte es nicht klappen, bleibt sie auf dem Bürgermeisterposten in Krefeld.

Der große Außenseiter?

Sind in diesem Wahlkreis eigentlich alle Bewerber. Michael Terwiesche (FDP) sitzt bereits im Bundestag. Sein Motto „Zuerst der Mensch – dann der Staat“ kam bei der Parteibasis allerdings nicht so gut an. Die setzte ihn auf Platz 19 der Landesliste. Kein Koffer mehr in Berlin. Jetzt kann sich der Liberale wieder dem Kampf gegen das Bergwerk Walsum widmen. Wie damals im Weseler Kreistag. Philipp Küpperbusch (Grüne) muss auf ein direktes Wunder hoffen. Für den Studenten gab es keinen Platz auf der grünen Landesliste. Den besten Vorkampfwert hat Sevim Dagdelen von der Linkspartei. Platz sieben dürfte nach aktueller Stimmungslage reichen.

Die taz-Prognose?

Siegmund Ehrmann setzt sich durch – wahrscheinlich wird‘s aber knapper als beim letzten mal. Geleit auf dem Weg in die Hauptstadt gibt es vom Genossen der Linkspartei. Der Rest schaut sonntags den Bericht aus Berlin. Am besten gemeinsam.

HOLGER PAULER