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Archiv-Artikel

Jukebox

Fünf Annäherungen an David Thomas

Die Sache mit dem Bildnis: Manche Menschen schauen ja vor allem aus. Was durchaus ein Argument ist, wenn es um Verkaufsverhandlungen geht, zum Beispiel im Platttenladen. Ein hübsches Gesicht will da nicht versteckt werden. Da muss man sich nur einmal in den Fächern umschauen, in denen die aktuelle Hitparadenwaren sortiert sind. Wird kaum ein Album zu finden sein, auf dem nicht das schön ins Licht gesetzte Konterfei der jeweiligen Künstler zu sehen ist. Auch so eine Art der persönlichen Ansprache. In aller Unverbindlichkeit. Von David Thomas ist da nichts zu sehen. Wenigstens nie mit seinem Bild auf der Vorderseite. Und der Sänger hat eine Menge Platten gemacht.

Die Sache mit dem Schwitzen: David Thomas ist eine ganze Masse an Mensch. Viel Fleisch, viel Speck. Vor seinen Bauch hat er gern eine Fleischerschürze gehängt, vielleicht, um sein kleines Akkordeon zu schützen, das über diesen Berg an Bauch rutscht und wimmert. David Thomas schwitzt eine ganze Menge in seiner Musik.

Die Sache mit dem Teufel: Am Anfang war Cleveland, Ohio. Die Heimat von Pere Ubu, die 1977 gleich mit ihrem Debütalbum „The Modern Dance“ die schwarze Seele von Punk vorlegten. Oder dunklen Blues. Freigeistigen Funk. Die Brust immer aufgerissen. Eine irrlichternde Musik in den Trümmern des Rock ’n’ Roll, und dazu sang David Thomas in einem panischen Schrecken, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Vielleicht aber war das auch anders herum.

Die Sache mit dem Mond: Als erst mal alles gesagt war, lösten sich Pere Ubu auf, und dann kamen sie wieder zurück, mit einem melodiengeschärften Pop, wie ihn seit den Beach Boys keiner mehr hinbekommen hat. Die schiere Schönheit. Vielleicht sublimierter Schrecken. Und nebenher veröffentlichte David Thomas seine Platten mit den Pedestrians, den Wooden Birds und den Two Pale Boys. Nie mit einem Bild des Sängers vorne drauf und drinnen mit einer zerwühlten herzenrührenden Musik. Und immer wieder stellte er sich mit seiner Fleischerschürze auf die Bühne, um dem Mond Tränen ins Gesicht zu singen.

Die Sache mit uns: Weil das eine Musik ist, die einen angeht. Was so auch mal unbequem sein kann. Dafür ertragreich. Ich jedenfalls habe mich noch nie auf einem Konzert mit David Thomas gelangweilt. Am Dienstag spielt er mit Pere Ubu im Quasimodo. THOMAS MAUCH