Man ist schließlich nicht jeden Tag happy

Dunkel dräuendes Technoambient: die neue Platte von Patrick Gräser alias Answer Code Request. Der Berghain-DJ spricht von einem „persönlichen Album“, am Samstag stellt er es im Berghain vor

Fan von einer dunklen Ästhetik: Patrick Gräser alias Answer Code Request Foto: Sven Marquardt

Von Andreas Hartmann

Wenn man bedenkt, welch mythisch aufgeladener Ort das Berghain ist, kommt man kaum darum herum, sich einen echten Berghain-Resident-DJ ebenfalls als geheimnisumwitterte Figur vorzustellen, als auratischen Techno-Globetrotter, dessen Anstellung beim bekanntesten Partytempel der Welt zwangsläufig zur Pflege von wenigstens ein paar Starallüren geführt haben muss.

Sitzt man dann aber Patrick Gräser, besser bekannt unter seinem Künstler­alias Answer Code Request, im Konferenzraum des Berghain gegenüber, wirkt der jedoch, wie soll man sagen: ziemlich normal. Kein besonderer Haarschnitt, nicht einmal ein sichtbares Tattoo und keine Spur von Arroganz. Patrick Gräser ist ein weltweit gefragter DJ, aber man merkt es ihm kein Stück an.

Ein wenig müde ist der Mitdreißiger, er habe zwei kleine Kinder, erzählt er, und die wollen vom Papa auch dann etwas haben, wenn der eigentlich noch den Jetlag vom DJ-Wochenende auskurieren sollte.

An den Kindern habe es auch gelegen, erzählt er, dass es ganze vier Jahre gedauert hat, seinem Debütalbum nun eine weitere Platte folgen zu lassen. Ständig auflegen, Familie, hier und da mal ein Remix-Job, da sei zuletzt wenig Zeit für das Produzieren von eigener Musik gewesen.

Sein neues Album mit dem Titel „Gens“ sei dann auch eher so nach und nach in den letzten beiden Jahren entstanden. Was erstaunlich ist, denn es klingt letztlich unglaublich kohärent und überhaupt nicht nach Stückwerk. Es ist ein dunkel dräuender Monolith aus Technoambient geworden, einem klaren Soundkonzept folgend, auch wenn es kleine Überraschungen bereithält wie die deutlich hörbaren Reminiszenzen an Drum & Bass, die hier und dort auftauchen.

Gräser spricht von einem „persönlichen Album“, das er da vorgelegt habe, eines, das zeigen soll, „wo ich herkomme“. Zu dieser Aussage passt dann auch das, was er zu den Breakbeat-Anflügen auf der Platte zu sagen hat: „Drum & Bass war einfach wichtig in meiner musikalischen Sozialisation.“

Falls die Platte dann tatsächlich Einblicke in die Biografie Gräsers liefert und die Deutung erlaubt ist, durch sie wenigstens ansatzweise in seine Seele blicken zu können, ist er dann passend zu seiner Musik in Wahrheit ein Melancholiker mit Hang zur Depression, auch wenn seine eigentliche Profession die eines Party-DJs ist? „Ja, in Wahrheit schon“, sagt Gräser, „man ist ja schließlich nicht jeden Tag happy.“

Er sei aber auch einfach jemand, der Mystik oder zumindest einer eher dunklen Ästhetik etwas abgewinnen könne.

Er sei Fan alter Horrorfilme wie „Silent Hill“ erzählt er, „Twin Peaks“ habe ihn schwer beeindruckt, und da er so oft im Flieger unterwegs sei, würde er sich auch diese ganzen neuen Düsterserien wie „Vikings“, „Game of Thrones“ und „The Mist“ ansehen. „Ich brauche das aber auch“, sagt er, „ich brauche etwas Visuelles als Inspiration für meine Musik. Erst wenn ich eine visuelle Vision habe, fange ich überhaupt an, etwas zu produzieren.“ Kein Wunder, dass „Gens“ mit seinen sphärisch grummelnden Sounds, die meilenweit von klassischer Clubmusik entfernt sind, so soundtrackartig klingt.

„Ich brauche etwas Visuelles als Inspiration. Erst wenn ich eine visuelle Vision habe, fange ich überhaupt an, etwas zu produzieren“

Answer Code Request

Wie sein Freund und Berghain-Kollege Marcel Dettmann kommt Patrick Gräser aus dem brandenburgischen Fürstenwalde. Die oft bemühte Erzählung vom Ossi, der gleich nach dem Mauerfall dem großen Technorausch verfällt, lässt sich auf ihn jedoch nur schwerlich bemühen. „Ich war zur Zeit der Wende gerade mal acht Jahre alt“, erzählt er. Auch führte damals sein Weg nicht gleich hinter das DJ-Pult, sondern er absolvierte erst einmal eine Ausbildung als Tischler. Seit sechs Jahren gehört er nun zum engen Kreis um das Berghain, „seitdem läuft es aber auch super“, sagt er.

Das Interesse für Berghain-Techno, für den er als Haus-DJ ganz zwangsläufig steht, nehme weltweit immer noch zu. „Südamerika und Asien boomen gerade total“, weiß er zu berichten, „in China etwa gibt es ein gewachsenes Interesse an Techno aus Europa“.

Demnächst begibt er sich gar auf eine zweimonatige Asientour. Und in São Paulo habe er erst vor Kurzem in einem Club aufgelegt, in dem die meisten der Gäste ganz in dem Schwarz auftauchten, das inzwischen als eine Art Dresscode für das Partyvolk im Berghain gilt.

Vielleicht aber war das in São Paulo gar kein Berghain-Schwarz, sondern einfach die Farbe, die am besten zur Dunkelheit von Answer Code Requests Musik passte.

Answer Code Request: „Gens“ (Ostgut Ton). Live am Samstag im Berghain