ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL : **61*+4917799NUMMER*11*10(15)(20)#
Alle reden von der einfachen Steuererklärung. Warum bloß? Mir würde einfaches Telefonieren schon völlig reichen
Neulich enttarnte ich einen Kollegen als politisch unzuverlässig. Er sagte nämlich: „Das mit der einfachen Steuererklärung, das wäre doch eigentlich eine schöne Sache, wenn es das wirklich geben würde.“ Da fuhr ich ihn aber in heiligem Furor an: Denn der „Professor aus Heidelberg“, mit seinen vier Kindern und seiner Frau am Herd, ist ein ganz schlimmer neokonservativliberaler Kleineleuteschinder. Generationen der Arbeiterbewegung haben hart und verlustreich dafür gekämpft, dass pädagogische Fachliteratur im Lohnsteuerjahresausgleich berücksichtigt wird. Für die Abschaffung der Kilometerpauschale sind wir 1989 nicht auf die Straße gegangen!
Das hat mein Kollege natürlich eingesehen: Er ist einem Ideologen auf den Leim gegangen. Und wie alle Ideologien tendiert auch die der einfachen Steuererklärung zur ständigen Radikalisierung. Von der Steuer auf dem „Bierdeckel“ (Friedrich Merz) sind wir jetzt bei der Steuer auf dem „chinesischen Glückskeks“ (Kirchhof) und in einer Woche voraussichtlich bei der Forderung nach der Steuererklärung auf einem Reiskorn (wahrscheinlich Westerwelle). Und wie alle politischen Utopien überfordert auch die Kirchhof-Utopie das Volk. Das Volk will nämlich gar keine einfache Steuererklärung. Das Volk will einfaches Telefonieren. Das würde dem Volk schon reichen.
Es klingelt. Man geht ran. Ganz einfach? Schön wär’s. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Es klingelt. Mein Anrufbeantworter geht ran und sagt, ich sei nicht da. Ich bin aber da. Nur: Der Anrufbeantworter ist schneller. Schneller, als Paul Kirchhof ein Glückskekszettelchen ausfüllt. Schneller, als ich am Telefon bin.
„Das kann man aber ändern, Junge“, sagt jetzt der Leser, der mich für einen kirchhoffreundlichen, technologiefeindlichen Konservativen hält. Der Eindruck täuscht. Ich stelle mich durchaus moderner Technik und modernen gesellschaftlichen Errungenschaft: wie zum Beispiel dem Call-Center der Firma e-Plus. Das erreiche ich schon nach wenigen Minuten Abhören eines Tonbandes. Um meinen Geist während der Warterei wach zu halten, stelle ich mir vor, wie ich meine Steuererklärung auf einen Bierdeckel schreibe, meine Lohnsteuerkarte in einen Glückskeks falte, Anlage N in ein Reiskorn schnitze und alles an Paul Kirchhof schicke.
Als ich endlich mit einem e-Plus-Menschen verbunden werde, sage ich: „Guten Tag, ich möchte gerne, dass meine Steuererklärung länger klingelt.“ „Das ist ganz einfach“, sagt die Mitarbeiterin. „Sie drücken zuerst Sternchen. Dann noch einmal Sternchen. Dann die Sechs. Dann die Eins. Dann noch einmal Sternchen. Dann das Pluszeichen, das Sie links unten auf Ihrem Handy oder im Menü Sonderzeichen finden. Dann die Vier. Dann die Neun. Dann die Eins. Dann Sieben. Noch einmal Sieben. Dann zweimal die Neun. Dann Ihre komplette Telefonnummer, aber ohne e-Plus-Vorwahl. Dann wieder Sternchen. Dann die Elf. Dann wieder Sternchen. Dann die Sekunden, die Ihr Telefon klingeln soll. Es sind jedoch nur Fünferschritte möglich. Also zehn oder fünfzehn oder zwanzig Sekunden. Maximal aber dreißig. Dann drücken Sie noch die Raute-Taste. Schon fertig.“ „Oh“, sage ich, „das hätte ich mir vielleicht aufschreiben sollen.“
Gottlob war die Frau aus dem Callcenter, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, bereit, alles noch einmal zu wiederholen. Sie, lieber Leser, müssen nicht mitschreiben. Das habe ich ja für Sie getan: **61*+4917799IHRETELEFONNUMMER*11*10(15)(20)#
Das passt weder auf ein Reiskorn noch auf einen Glückskeks. Aber es passt auf einen Bierdeckel. Mein Vorschlag: Schneiden Sie diese Zahlenkombination aus und kleben Sie sie auf einen Bierdeckel. Den legen Sie zu Hause in eine Schublade. Und wenn eines Ihrer vier Kinder zu Besuch ist oder Ihre Frau einmal vom Herd weggeht und Sie fragt, was man tun muss, damit das Handy länger klingelt, dann geben Sie Ihren Familienmitgliedern den Bierdeckel. Und wenn jemand von einer einfachen Steuererklärung träumt, dann geben Sie ihm den Bierdeckel auch.
Fragen zu Ihrem Handy? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried CHARTS