DIE JUSTIZ HÄTTE DEN PROZESS NICHT ERÖFFNEN DÜRFEN
: Vergessen wir den „Fall Türck“

Am Ende des Prozesses gegen Andreas Türck stehen Vorwürfe gegen die Justiz. Das Verfahren habe unnötig zwei Menschen, den Angeklagten Türck und die Nebenklägerin Katharina B., an den Pranger der Öffentlichkeit gezerrt. Aus heutiger Sicht sind diese Vorwürfe sicher richtig. Aber war es wirklich vermeidbar, die öffentliche Beweisaufnahme durchzuführen?

Dass bei Vergewaltigungsverfahren Aussage gegen Aussage steht, ist nichts Ungewöhnliches. Typisch ist auch die Konstellation, dass nicht der sexuelle Kontakt an sich umstritten ist, sondern die Frage, ob er einvernehmlich oder erzwungen war. Deshalb kommt viel auf die Glaubwürdigkeit der Beteiligten an. Katharina B. war eine labile Persönlichkeit, hatte psychische Probleme und Kontakte zur Drogenszene. Doch all dies kann nicht genügen, einem Vergewaltigungsvorwurf nicht nachzugehen. Eine solche Person würde zu Freiwild, wenn ihre Aussagen von vornherein als zweitklassig angesehen würden. Auch die Tatsache, dass ein Opfer nicht von selbst zur Polizei geht und eine Vergewaltigung anzeigt, spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit. Immerhin hat die spätere Nebenklägerin das Geschehen gegenüber ihrer Freundin schon kurze Zeit später als Vergewaltigung bezeichnet. Und bei einem Telefongespräch mit einem Freund hat sie dies wiederholt. Eigentlich sind das klare Indizien für eine authentische Aussage. Wohl erst im Prozess wurde deutlich, wie sehr die Nebenklägerin bereits Gewalterfahrungen, Krankheiten und Ähnliches erfunden hat. Dass eine Beweisaufnahme unerwartete Ergebnisse erbringt, spricht nicht gegen, sondern für das Verfahren.

Dennoch war es falsch, die Anklage zuzulassen. Denn schon vor Prozessbeginn lag ein Gutachten vor, nach dem viel dafür sprach, dass Katharina B. unbewusst eine falsche Aussage gemacht hat. Die Justiz hat in diesem Verfahren also einen vermeidbaren Fehler gemacht. Politische Reaktionen, etwa eine Änderung von Gesetzen, sind aber nicht erforderlich. Am besten, wir vergessen bald wieder, was wir im letzten Monat über den „Fall Türck“ gelesen und gesehen haben. CHRISTIAN RATH