Martin Hohmann kämpft jetzt für die SPD

Nach seinem Ausschluss aus der CDU tritt der umstrittene Abgeordnete aus Fulda als Direktkandidat gegen den offiziellen Parteibewerber an. Der konservative Zwist könnte in der schwarzen Hochburg erstmals eine rote Mehrheit möglich machen

AUS FULDA KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Nur einmal gingen dem sichtlich um Seriosität bemühten Martin Hohmann am Mittwochabend im Gemeindezentrum von Künzell bei Fulda die Gäule durch. „Wir Deutsche werden doch immer weniger, weil unsere Frauen ganz legal auf Krankenschein abtreiben dürfen“, wetterte der aus der Union ausgeschlossene Bundestagsabgeordnete vor rund 400 potenziellen Wählern.

Das Publikum war auf Einladung der Fuldaer Zeitung zum angekündigten Schlagabtausch zwischen den Direktkandidaten im Bundestagswahlkreis 176 gekommen. „Sieben Millionen kleine Menschen“ seien seit der Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Deutschland „getötet worden“, so Hohmann weiter. Darunter vielleicht ein „zweiter Goethe, ein zweiter Bach oder eine zweite Mutter Teresa“. Alles „helfende Hände“, die Deutschland jetzt fehlen würden.

Der verstorbene erzkonservative Fuldaer Bischof Johannes Dyba, der auch schon mal mit einem „Mahnläuten“ gegen die „Ermordung der ungeborenen Kinder“ protestierte, hätte an Hohmann sicher seine Freunde gehabt. Der Kandidat selbst betont immer wieder gerne, dass er in der Tradition von Alfred Dregger stehe, der einmal Bürgermeister von Fulda war und danach die hessische CDU und die Bundestagsfraktion der Partei mit eiserner Faust führte.

„Für Gott und Vaterland“, das ist Hohmanns Losung, und die Eindämmung der „Zuwanderung aus muslimisch geprägten Ländern“ ist sein politisches Credo. „Die völlig andere Kultur und die strikte Glaubensüberzeugung vieler Moslems“, glaubt Hohmann, „sind mit den Idealen des freiheitlichen Rechtsstaats nicht kompatibel.“

Im Jahr 2002 wurde Hohmann mit 54 Prozent der Stimmen für die CDU in den Bundestag gewählt. Nachdem er wegen seiner als antisemitisch kritisierten Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2003 aus der Union ausgeschlossen wurde, tritt er jetzt gegen seine frühere Partei an. Um genauer zu sein: gegen den 31-jährigen Pressesprecher der Landtagsfraktion, Michael Brand.

„Eins auswischen“ wolle er der Partei aber nicht, sagt Hohmann treuherzig auf dem Podium. Auf seiner Homepage und auf einigen Wahlplakaten heißt es tatsächlich: „Erststimme Hohmann – Zweitstimme wie bisher.“ Für die CDU also.

Das bringt den offiziellen Parteikandidaten in Rage. Mit seiner Kandidatur erreiche Hohmann nur ein Ziel, so Brand: Er ver- helfe der SPD womöglich erstmals zu einem Direktmandat in Fulda. Doch nicht nur das. Sollte Hohmann wirklich die meisten Erststimmen bekommen und direkt in den Bundestag einziehen, würden die Zweitstimmen der Hohmann-Wähler ungültig. Das sieht das Wahlgesetz bei Direktkandidaten vor, die keine Landesliste im Rücken haben.

Das schade der Union insgesamt und gefährde bei einem knappen Wahlausgang den Sieg am 18. September, so Brand unter Berufung auf Recherchen im Auftrag von Ministerpräsident Roland Koch. Hohmann behauptet, das alles „nicht gewusst“ zu haben. Brand dagegen sagt, Hohmann habe den Wählern „bewusst vorgegaukelt“, dass sie auf einem Stimmzettel sowohl ihn als auch die CDU wählen könnten. Das sei „schlicht Wahlbetrug“.

Im Saal gehen die Wogen hoch. Die zahlreich erschienenen Hohmann-Anhänger verlangen von Brand lautstark eine Entschuldigung. Der weist das Ansinnen gelassen zurück und legt nach. Die Wählerinnen und Wähler sollten sich doch einmal überlegen, was ein Einzelkämpfer wie Hohmann als einsamer Bundestagsabgeordneter in Berlin für die strukturschwache Region um Fulda „bewirken und bewegen“ könne? Und Brand gibt gleich die Antwort: „Nichts nämlich!“ Als dann noch ein Christdemokrat am Saalmikrofon Hohmann fragt, warum er „der CDU in den Rücken gefallen“ sei, bellt der im Kasernenhofton entnervt zurück: „Wer hat denn wen fallen gelassen?“

Hohmann ist der Verlierer. An diesem Abend. Wie das Rennen um das Direktmandat am 18. September ausgeht, ist nach Ansicht der lokalen Beobachter dagegen völlig offen.