: „Verstöße zur Anzeige bringen“
Ausbildungsbetriebe müssen besser kontrolliert werden, sagt DGB-Bildungsreferent Hannes Scherf
Hannes Scherf, 33, Politikwissenschaftler, ist Jugendbildungsreferent bei der DGB-Jugend Bremen-Elbe-Weser.
Interview Elisabeth Nöfer
taz: Herr Scherf, welche Probleme gibt es auf dem Ausbildungsmarkt?
Hannes Scherf: Es wird häufig über Passungsprobleme gesprochen: Einerseits gibt es viele Ausbildungsplätze, die unbesetzt sind, und andererseits sind es viele, die suchen. Da fragt man sich natürlich: Wie passt das zusammen?
Wie sieht das im Land Bremen konkret aus?
Hier kann man von einem Ausbildungsplatzmangel sprechen. Bis zu 1.000 Ausbildungsinteressierte sind unversorgt. Und es sind 2.500 bis 3.000 Ausbildungsplätze, die man noch bräuchte. Die Bremer Schülerinnen und Schüler konkurrieren außerdem mit den Schülern aus Niedersachsen, die einpendeln. Das ist ein Grund, warum die Betriebe eine Besten-Auslese betreiben: Wer nur einen Hauptschulabschluss hat, bekommt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit keinen Ausbildungsplatz. Unsere Vermutung ist, dass Betriebe lieber nicht ausbilden, als einen Azubi zu nehmen, der nicht die gewünschte Qualifikation hat. Das andere ist, dass es viele ausgeschriebene Ausbildungsplätze gibt, die unbesetzt sind, weil es unattraktive Ausbildungsplätze sind.
Inwiefern?
Ausbildungsfremde Tätigkeiten und Überstunden sind ein großes Problem. Im Branchenvergleich gibt es in der Gastronomie oder im Gaststättengewerbe überproportional viele Vertragsauflösungen, was auch eindeutig mit der Ausbildungsqualität zusammenhängt.
Werden die Betriebe kontrolliert?
Ja. Aber wenn wir in den Berufsschulen sind, hören wir häufig von Ordnungswidrigkeiten und Arbeitsrechtsverstößen, teilweise auch von Verstößen gegen das Jugendarbeitsrechts-Schutzgesetz, dass also länger gearbeitet wird als gesetzlich vorgegeben.
Wer trägt da die Verantwortung?
Im Grunde müssen die Kammern dafür sorgen, dass ihre Mitglieder sich an den vereinbarten Rahmen halten. Gegebenenfalls muss man Verstöße auch mal zur Anzeige bringen. Dann muss man vielleicht an manchen Stellen auch darüber nachdenken, ob man die Ausbildungseignerprüfung entzieht. Das wäre bei massiven Rechtsverstößen angebracht.
Gibt es Unterstützungsangebote für Azubis?
In Hinsicht auf die Berufsorientierung gibt es in Bremen die Jugendberufsagentur. Aber auch wenn das ein richtiger Ansatz ist, eine Vermittlungsinstitution zu schaffen, die mit unterschiedlichen Behörden zusammenarbeitet, löst das Problem des Ausbildungsmangels nicht. Wenn Azubis Probleme in der Ausbildung haben, gibt es einige Institutionen, die da helfen. Zum Beispiel „Bleib dran!“, das ist eine Beratungsinstitution. Solche Angebote könnte es in unseren Augen noch mehr geben.
Kennen die Azubis diese Anlaufstellen?
Gerade, was Probleme in der Ausbildung angeht, wissen viele Azubis tatsächlich nicht, wo sie Hilfe herbekommen können – besonders in kleinen Betrieben, wo es keinen Betriebsrat gibt. Diese Situation bemerken wir in Berufsschulen immer wieder. Manche reden tatsächlich das erste Mal darüber, weil auch untereinander nicht so häufig darüber gesprochen wird.
Und was tun Sie?
Mit einer Kollegin veranstalten wir Workshops und Projekttage in Berufsschulen. Da sprechen wir mit den Azubis über ihre Ausbildungssituation und über politische Themen: Was ist eigentlich betriebliche Mitbestimmung, was sind Betriebsräte, Personalräte oder Ausbildungspersonalräte? Und was machen eigentlich die Gewerkschaften?
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