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Adrian Schulz Jung und dummIdeologie der Versuppung und der Durchfeuchtung

Foto: Susanne Wintzenburg

Vor dem Rewe-Markt, Baby, stehen drei Mormonen. Junge Menschen in blauen Behängen, lockig, froh und gutgelaunt, eins, zwei und – verkauft an die Dame in Reihe acht mit der Kordel am Hut. Herzlichsten Glückwunsch übrigens, lieber Gieselher, die Prothese ist ja wirklich magnetisch. Nein, nicht „magisch“ – magnetisch, mein Teuerster! Macht mal jemand heller, bitte? Es zieht ja wie Hechtsuppe hier.

So, zurück zu den jungen Leuten. Stellt sich heraus: Mormonen sind’s, und vor lauter Freude erzwinge ich Blickkontakt und muss lachen, einfach weil es so schön ist. Im Vorbeigehen denke ich daran, dass Mormon auch eine der weidlich vielen Pornokategorien ist, die einschlägigen Internetseiten Struktur verleihen. Einer der allerersten Filme dieser Art, die ich sah, handelte, soweit ich mich recht entsinne, von einem jungen Mann, der vermutlich Mormone war und der Enge des religiösen Lebens zu entfliehen einzig durch Entkleiden sich imstande sah. Mormonenporno, denke ich, ein schönes Wort für Scrabble.

Im Rewe-Markt dann der übliche Hass. Der Brombeerjoghurt ist alle, die Playlist ist zwar schön energiegeladen, reicht aber längst nicht an die meiner bewegolomanischen Aerobic-Trainerin Paranova N. heran, und zu allem Überfluss lasse ich mich zum Kauf eines „Smoothies“ hinreißen, aber nur, weil es so eine tolle Sorte ist: „Aktivkohle-Traube-Zimpara“. Gab es so was früher eigentlich? „Aktivkohle-Traube-Zimpara“? Vermutlich nicht. Aber woher soll man das als junger Mensch auch wissen? Schließlich kommt jede Woche neu der Laster aus dem Cyberspace und legt ein paar dicke Layer Infomüll oben drauf auf den Stapel, und um ganz nach unten durchzudringen, sagen wir, in die Lebenswirklichkeit des Jahres 2004, bräuchte man schon einen goldenen Schraubenzieher, ein paar gut steifgefrorene Heringe oder eine kostenlose Eintrittskarte ins Altersheim, sich von den Bewohnenden hinsichtlich der damaligen Ernährungslage instruieren zu lassen. Doch die sitzen ohnehin lieber im dem Rewe-Markt vorgelagerten Bäcker und futtern Eissplittertorte, das klingt nach Tod, Gewalt und Stalingrad.

Die Fünftage-vorschau

Do., 15. 12.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Fr., 16. 12.

Franziska Seyboldt

Psycho

Mo., 19. 12.

Kefah Ali Deeb

Nachbarn

Di., 20. 12.

Sonja Vogel

German Angst

Mi., 21. 12.

Svenja Bednarczyk

Nullen und Einsen

kolumne@taz.de

Welchen Trend ich eindeutig festzustellen mich gleichwohl befähigt fühle, ist der einer allgemeinen nutritiven Verpampung, forciert von den Funktions- und Werbeträgern der Ernährungsbranche. Dass ein Essen wie zum Beispiel Obst, das einst, in fester Einheit dargereicht man zu verspeisen sich aufmachte, jetzt schon a priori in durchsupptem Zäh seinen Konsum einfordert, ist kein Einzelfall, sondern vielmehr Symptom einer zutiefst regressiven Schmatz- und Schlabberideologie in einem Land voller Nazis, die gern Kinder werden wollen. Gebäck wird nicht mehr ausgebacken, sondern bleibt teigiger Nährschlamm; ein Fernsehkoch beschämt im Bahnmagazin alle, die ihr Rührei nicht „schlotzig“ mögen; eine große Biermarke wirbt auf Plakaten mit dem Attribut „cremig“. An allem ist zu zweifeln.

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