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Er drei Steine, sie zwei – und manchmal umgekehrt

Der Mixed-Wettbewerb im Curling feiert olympische Premiere. Grund genug für Team Canada ein paar ihrer besten Steineschieber in den jungen Wettbewerb zu schicken

Aus Gangneung Markus Völker

Curling ist manchmal ein stiller Sport. Vereinzelt ist ein „Hopp Schwyz“ von den Rängen der olympischen Curlinghalle in Gangneung zu hören, meistens aber das Geschrei der Curler aus Russland und der Schweiz, die gerade ihr Halbfinale spielen. Besonders laut kräht Anastasia Brysgalowa. Ihr „Dawai, dawai“ schallt durch die Halle und treibt ihren Ehemann Alexander Kruschelnitzki an. Doch der St. Petersburger, ein „Olympic Athlete from Russia“, kann schrubben wie er will, am Ende ziehen die Schweizer Weltmeister Martin Rios und Jenny Perret nach einem 7:5-Sieg ins Finale gegen Kanada (heute 12 Uhr, MEZ) ein.

Dass sich die Schweizer fürs Finale qualifiziert haben, ist so normal wie ein Loch im Emmentaler Käse. Sie dominieren seit Jahren das gemischte Doppel im Curlingsport, den es so lange noch gar nicht gibt. Der Wettbewerb wurde 2001 von einem Kanadier „erfunden“. Eine Weltmeisterschaft wurde erstmals 2008 ausgetragen. Das Internationale Olympische Komitee hat sieben Jahre gebraucht, um drauf zu kommen, dass dieses Mixed Curling eine Bereicherung wäre für die Winterspiele von Pyeongchang.

2015 erteilte das IOC die Freigabe. Früher schoben noch vier Sportlerinnen und Sportler die Granitsteine, jetzt sind es nur noch zwei. Bei den zehn bisherigen Weltmeisterschaften haben die Schweizer sechs Titel gewonnen. Länder, die sonst nichts reißen im Steinschiebesport, durften hier auch mal aufs Podium steigen, die Ungarn zum Beispiel, die Neuseeländer oder Tschechen.

Der internationale Verband wollte das als Entwicklungshilfe für nachkommende Nationen verstanden wissen. Die Deutschen haben diese Chance nicht genutzt. Sie fehlen in Pyeongchang; Julia Meißner und Andy Büttner verpassten die Olympiaqualifikation. Warum die weniger Guten reüssierten, hatte einen einfachen Grund: Die Kanadier nahmen diese Disziplin nicht so richtig ernst.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Team Kanada ist der Favorit auf den Olympiasieg. Im zweiten Halbfinale setzten sie sich gestern klar mit 8:4 gegen Norwegen durch. Die Curlingfans in Kanada sind davon überzeugt, dass der Titel so sicher ins Land des Ahornblatts gehört wie Sirup auf ein Pancake. Deswegen haben sie auch zwei Olympiasieger nach Südkorea geschickt: Kaitlyn Lawes und John Morris.

Das Gesicht von Morris ist Curlinginsidern bekannt, denn Morris stand im Olympiateam des legendären Skips Kevin Martin, dessen Mannschaft 2010 in Vancouver Olympiasieger wurde. Morris erwies sich damals schon als großer Wischer und Schieber, kein Wunder, stammt er doch aus einer Curlingdynastie. Sein Vater, Earle Morris, ist nicht nur im Jahre 2016 in die Ruhmeshalle des Curlingsports eingezogen, wo Opa Ryan schon auf ihn wartete, er hat der Gemeinde auch einen Sportbesen hinterlassen, den der alte Fuchs „The Stabilizer“ taufte. Wer heute nach dem achten End noch vorne sein will, muss wohl diesen Wunderbesen schwingen.

Aber selbst wenn Team Canada in der olympischen Vorrunde, die bei den Curlern Round Robin heißt, ziemlich klar durchmaschierte – selbstverständlich war das nicht, denn sehr lang curlen Lawes und Morris noch nicht zusammen. Sie haben erst im Januar bei den kanadischen Olympiaausscheidungen zusammengefunden. Morris hätte eigentlich mit Rachel Homan antreten sollen, doch die hatte es auf den letzten Drücker noch ins kanadische Frauen-Olympiateam geschafft. Das ist vorgegangen.

Kaitlyn Lawes, Team Canada

Lawes und Morris kennen sich zwar seit vielen Jahren, aber bei den olympischen Pre-Trials in Manitoba hatten sie vor ihrer ersten Partie nicht mal eine halbe Stunde Zeit, um sich auf den Wettkampf vorzubereiten. Sie starteten durchwachsen – und wurden im Laufe des Turniers immer stärker. „Wir vertrauen uns“, sagt Lawes in Gang­neung, „aber das Wichtigste für uns war herauszufinden, was der andere auf dem Eis braucht, und das ging nur mit absoluter Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.“ Das ist offenbar im Curling so wie im wirklichen Leben.

„Wir mussten die Kommunikation aneinander anpassen“, sagt Morris, der in seiner Heimat Feuerwehrmann und Fitnesstrainer ist. Aber wie im „natürlichen Curling“ (Morris) gehe der Anpassungsprozess auch im Mixed-Double sehr schnell. Die Unterschiede sind ja auch nicht so gravierend. Statt zehn Ends gibt es nur acht, fünf Steine werden gesetzt, einer schiebt den ersten und fünften Stein, der andere die mittleren drei.

Bei den Winterspielen von Pyeongchang genießen die Männer fast immer den Vorzug der drei Schüsse. Nur bei den Russen ist das anders herum. Da ist es Anastasia Brysgalowa, die, für jeden in der Curlinghalle hörbar, das Sagen im Zweierteam hat. Alexander Kruschelnitzki musste sich, wenn er gepatzt hatte, nicht nur von ihr einiges anhören, auch Trainer Wassili Gudin nahm kein Blatt vor den Mund und kritisierte ihn nach verlorenen Partien ungewöhnlich hart. Nach dem Halbfinale war Brysgalowa etwas milder gestimmt.

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