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Ein paar Backpfeifen reihum

Neue Musik mit einem multimedialen Drang: Simon Steen-Andersens „Black Box Music“ bei Kontraklang

Von Thomas Mauch

Da hocken also vier Menschen auf der Bühne, sie flüstern und sie tätscheln sich. Manchmal stampfen sie mit den Beinen auf. Vor allem aber verabreichen sie sich sachte Backpfeifen, reihum, in einer strengen Choreografie. Das konnte man nun als eine reduzierte Form von Tanztheater sehen, als Übung im absurden Theater. Man konnte es aber auch hören, mit dem Stampfen, dem Flüstern und dem sachten Klatschen der Backpfeifen, ­alles klar strukturierte Klang­ereignisse. Also Musik.

„Freunde“ ist der Titel dieser, ja, Komposition des dänischen Komponisten Christian Winther Christensen. Am Donnerstag wurde sie im Heimathafen bei Kontraklang, der monatlichen Konzertreihe für zeit­genössische Musik, uraufgeführt.

Dass man bei Musik nicht immer nur auf die Musik allein hören soll, war das Leitmotiv dieses Abends mit dem ­Ensemble Scenatet, das eben an den Schnittstellen von Musik, Kunst und Theater arbeitet. Ein Drang hinein in den multimedialen Raum bei der Neuen Musik, der dann natürlich auch bei „Black Box Music“ von Simon­ Steen-Andersen – in seiner Berliner Erstaufführung und das zen­trale Stück des Abends – ­wesentlicher Antrieb war.

Dass der dänische, in Berlin lebende Komponist gern mit performativen, theatralischen Ansätzen in seiner Musik arbeitet, war auch kürzlich beim Ultraschall-Festival zu erleben, wo sein „Piano Concerto“ aufgeführt wurde. Da spielt ein Video von einem abgestürzten, trotzdem noch leidlich spielbaren Flügel eine bedeutsame Rolle. Bei seiner „Black Music Box“ nun sah man mit einem groß auf die Leinwand proji­zierten Live-Video, was da der federführende Musiker, der Perkussionist Håkon Stene, mit seinen Händen in einer mit allerlei Gerätschaft gefüllten Kiste, der Black Box, machte.

Dazu mimten Stenes Hände den Dirigenten, immer wieder ging ein Vorhang auf und zu, und man guckte auf die Leinwand, auf das puppenspielergleiche Spiel der Hände, schaute auf das dirigierende Fuchteln, folgte den Gesten … dass man darüber fast die Musik vergessen konnte.

Dabei war die keineswegs ­leisetretend, mit einem agitierten Getöse und schön stumpfen rhythmischen Übungen. Eine aufbrodelnde Musik. Dumpf grollend, manisch. Und zwiespältig. Weil man sie mit offenen Augen entschieden anders hörte als mit geschlossenen. Schaute man auf die Leinwand, war das alles schon recht juxig mit ­diesem Spieltrieb. Selten sonst hat man ein so oft auflachendes Publikum bei Neuer Musik gehört wie hier. Hatte man die Augen aber zu, hörte sich die „Black Box Music“ eher düster. Klamm. ­Eigentlich Industrial, halt mit kammermusikalischen Mitteln.

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