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olympic talkAura der Hoffnung

Mit einem vergleichsweise bescheidenen Spektakel werden die Winterspiele eröffnet. Die zwei Koreas bilden ein Team, und die olympischen Russen ernten ein paar Pfiffe

Kreisrunde Choreografie: Herzerwämende Lichtshow in eisiger Kälte Foto: ap

Aus Pyeongchang Markus Völker

Um 21.12 Uhr Ortszeit erschienen die Fahnenträger mit der Vereinigungsflagge unter dem Jubel der Zuschauer. Die Fahne zeigt die koreanische Halbinsel in Blau vor weißem Hintergrund. Es gibt sie seit 1991. Hereingetragen ins Olympiastadion von Pyeongchang wurde sie vom südkoreanischen Bobfahrer Won Yun Jong und der nordkoreanischen Eishockeyspielerin Hwang Chung Gum, die ja zusammen mit ihren Kolleginnen aus dem Süden bei diesen Winterspielen antritt, heute schon gegen die Schweizerinnen. Es marschierten Athleten aus 93 Nationen ein, insgesamt sind 2.493 Sportler gemeldet; in 15 Sportarten werden in den kommenden zwei Wochen 80 Goldmedaillen verteilt.

Dass beide Koreas zusammen einmarschieren, ist nicht neu. Das passierte schon bei den Spielen von Sydney, Athen und Turin. Gemeinsame Mannschaften wurden 1991 bei der Tischtennis-WM in Japan gebildet und bei der Fußball-Junioren-WM in Portugal im gleichen Jahr. Auch jetzt liegt wieder eine opake Aura der Hoffnung über der neuerlichen Annäherung.

Ja, und es war natürlich auch ziemlich kalt am Freitagabend. Die Olympia-Organisatoren hatten ein wenig vorgesorgt. Vor der Show hatten sie Mützen, Wärmepads und Decken verteilt. Das half allerdings nicht viel. Alle schlotterten im Stadion, außer dem Fahnenträger aus Tonga, Pita Taufatofua, der wie in Rio nackt und ölglänzend in ein Stadion trat, das nach den Spielen wieder abgebaut wird.

Der Cheforganisator der Zeremonie, Song Seung-Hwan, hatte ursprünglich eine Arena in der Form eines Eiskristalls geplant, aber weil das zu teuer geworden wäre, wurde ein Fünfeck in die koreanischen Berge gestellt. Warum das überhaupt gemacht wurde, wo es doch im olympischen Küstenort Gangneung ein Stadion gibt, bleibt ein Geheimnis des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Song Seung-Hwan, 61, ist ein in Südkorea bekannter Regisseur. In seinem Œuvre finden sich Filme wie „Atom Bomb of Love“. Gestern inszenierte er ein sehr buntes Spektakel mit Trommeln, Tanz und opulentem Feuerwerk – wie man es von vielen Spieleeröffnungen kennt. Es waren sogar eine kleine Reminiszenz an die Sommerspiele von Seoul 1988 eingebaut. Damals trieb ein kleiner Junge ganz allein einen Reifen übers Feld; er machte als „Hoop Boy“ Karriere in der olympischen Welt. Hübsch auch, dass es ein Kim-Jong-Un-Double und ein falscher Donald Trump auf die Zuschauerränge geschafft hatten.

Böse Zungen behaupten, die Show sei billig gewesen, aber das kann sich natürlich nur auf die Kosten beziehen. Lediglich 10 Prozent des Geldes von Sotschi wurde angeblich für die Show ausgegeben. Es sollte alles etwas kleiner halten werden, dafür aber eine Botschaft umso klarer rüberbringen: Südkorea als ebenso harmonisches wie stolzes und friedliebendes Land, das sich, eingeklemmt zwischen den Wirtschaftsgroßmächten China und Japan, als Tigerstaat emanzipiert.

Die Botschaft der Show: Südkorea ist ein ebenso harmonisches wie stolzes und friedliebendes Land

Um 20.49 Uhr Ortszeit waren dann die Russen dran. Das Team, das unter dem KürzelOAR firmiert, trug Schwarz und Weiß – und wurde sachte ausgebuht. Auf dem Rücken der Trainingsjacken steht „Olympic Athlete from Russia“. Das alles gehört zu den Sanktionen gegen die in der Vergangenheit nicht ganz so sauberen Sportbotschafter von Wladimir Putin.

168 Athleten aus Russland sind in Südkorea dabei. Mehr werden es auch nicht. Die Hoffnungen einer Reihe von russischen Athleten auf Teilnahme haben sich gestern nach einer Entscheidung des Sportgerichts CAS zerschlagen. Sie wurden abgewiesen, 47 am Freitag und 13 bereits am Donnerstag. Die Russen hatten Klage eingereicht, weil sie vom IOC wegen Dopingverstößen keine Einladung für Pyeongchang erhalten hatten.

In seiner Urteilsbegründung sah der CAS die Nichtberücksichtigung als gerechtfertigt an. Die Entscheidung des IOC sei nicht diskriminierend oder unfair, hieß es. Das Erstellen einer Einladungsliste durch das Komitee sei als ein legitimer Prozess der Eignungsprüfung anzusehen. Damit passt sich der CAS den Wünschen des IOC an, was vor allem dessen Chef Thomas Bach freuen dürfte.

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