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Schlange, Frau und Pferd

Der düstere Fantasy-Pop der niederländisch-iranischen Künstlerin Sevdaliza

Guter Wurf: Sevdaliza Foto: Bethany Vargas

Von Lorina Speder

„Ich isoliere mich, damit die Musik zu mir sprechen kann“, schrieb Sevdaliza auf Twitter. Das Ergebnis dieser kreativen Abschottung ist ein eigenwilliger Mix aus düsteren Trip-Hop-Beats und verführerischen Gesangsmelodien. Damit reflektiert und poetisiert die Künstlerin Leben und Existenz. Letztes Jahr erschien „ISON“, das dritte Album der iranisch-niederländischen Musikerin, das sie nun erstmals Deutschland präsentiert.

Seit 2014 veröffentlicht die 30-Jährige Musik. Dabei wollte sie eigentlich Profisportlerin werden: Als Teenagerin stand Sevdaliza, die bürgerlich Sevda Alizadeh heißt, kurz vor einer Karriere im Basetball-Nationalteam der Niederlande. Mithilfe eines Stipendiums verließ sie mit 16 Jahren ihr Elternhaus und widmete sich dem Sport. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften entschied sie sich jedoch anders und komponiert seither Musik.

Eigene Vorstellungswelt

In ihren Songs und den visuellen Botschaften ihrer Videos baut sie sich ihre eigene Vorstellungswelt. Teilweise führt sie selbst Regie, stellt darin futuristische Visionen und verstörende Symbole gegenüber. Im Video ihrer Single „Human“ tanzt sie etwa in einem Gladiatorentheater vor reichen und geiernden Herren. Sevdaliza zeigt darin ihren athletischen Körper, dessen zwei Beine denen eines Pferdes entsprechen. Mit ihrem selbstbewussten Auftreten stemmt sie sich dagegen, zum degradierten Objekt der Begierde zu werden. Denn ihre verführerischen Bewegungen dominieren und kontrollieren die Blicke der männlichen Zuschauer im ersten Rang. Sogar dem Bediensteten, der gerade noch den Champagner und Whiskey in die Loge schob, verschlägt es den Atem.

Im Lied selbst besingt sie in einer elektronischen Klangwelt die ausweglose Situation eines Arbeiters. Er ist dem Druck in der Businesswelt nicht mehr gewachsen. Sevdaliza wiederholt den Satz „I am human“ und betont damit das Unmenschliche am System, aber auch die Verletzlichkeit von Individuen. Auch wenn sie ihre Musik für sich sprechen lässt, erkennt man in Songs wie „Shahmaran“ trotzdem, woher sie ihre Referenzen hat. Die mystische Figur Shahmaran ist die Göttin der Weisheit, ein Mischwesen aus Schlange und Frau. Auf Darstellungen trägt sie stets eine Krone. Die Stärke dieser im Morgenland verehrten Frau wird man auch auf der Bühne wiederfinden.

Sevdaliza: „ISON“ (Butler/H’Art); live 4. Februar „Yuca“ Köln

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