bücher für randgruppen
: Sei, was du scheinen willst! Eine optimistische Einführung in Product Placement und Corporate Identity

An den individuellen Rillenformen der Fingerkuppen kann seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Identität eines Menschen festgestellt werden. Eine der dabei vorkommenden Formen nennt sich „double loop“, auch Titel dieses Lehrbuchs, das sich mit dem Thema der Corporate Identity (CI) beschäftigt: dem Produkt und seinem Image.

Die Komplexität der Umwelt, so erfahren wir einleitend, werde immer größer. Deshalb sei auch „eindeutige Kommunikation“ immer notwendiger. Im letzten Jahr hat Knödelbarde Herbert Grönemeyer das Wort „Eisbär“ für seinen Musikverlag unter Markenschutz gestellt. Schon lange erhebt die Telekom Alleinanspruch auf das große T in Magenta-Rosa, und der Verlag Kiepenheuer & Witsch forderte von mir einst Tantiemen für norwegische Stare, die Schwitters’ „Ursonate“ in dessen Exil nachträllern. Es gilt zu lernen, wie wir etwas als unser geistiges Eigentum reklamieren können, was eigentlich allen gehört oder gehören sollte. Wie aber geht ein Musikverlag vor, damit zukünftig beim Anblick eines Eisbären vor dem inneren Auge mehrheitlich zuerst der speckige Grönemeyer-Song „Männer“ und nicht etwa das viel schönere Lied „Eisbär“ von Grauzone auftaucht? „Double loop“ vermittelt, wie ein gesteuerter Identitätsprozess vor sich gehen sollte. Es gilt, die Einheit von Produkt und Image zu konstruieren, oder philosophischer formuliert: „Sei, was du scheinen willst!“ (Sokrates).

Mit dem Ziel: Wie kann ein Unternehmen eine möglichst lange und tiefe Beziehung zu seiner Kundschaft aufbauen, Vertrauen schaffen, ein klares Bild von dem geben, was es ist oder sein möchte? Um das Visuelle zu gestalten, muss zuerst die Unternehmensidentität geklärt werden. Das sei heute wichtiger denn je, so Autor Paulmann, denn die Rahmenbedingungen hätten sich in den letzten Jahren rasant geändert – ebenso die Wahrnehmung der Zielgruppe. Das könnte durchaus sein. Das oft als genial bezeichnete Logo der Deutschen Bank, Quadrat mit Querstrich von links unten nach rechts oben – eine millionenteure Kreation –, wurde zeitweise durch ein Bild in den Medien von zwei gespreizten Fingern überstrahlt: Victory wirkte nun als eine Art negatives Product Placement. Festes löst sich heute eben schneller auf. In neun Kapiteln und einem Glossar werden die wichtigsten Merkmale und Strategien in Bezug auf Corporate Identity behandelt. Diese klingen meist so klar und einleuchtend, dass der Leser geneigt ist, immer zu „Logo!“ oder „Na klar!“ zu sagen: Inhalt und Kommunikation sollten übereinstimmen. Na klar! Nicht alles Alte ist schlecht! Logo! Kein Unternehmen gleicht dem anderen. Deshalb müssen Unternehmensidentitäten individuell entwickelt werden. Ja!

Übersichtlich ist das Handbuch gestaltet, eingeleitet werden die einzelnen Kapitel von doppelseitigen Fotos. Alles ist sehr positiv, motivierend und möglichst eindeutig formuliert. Ein paar Negativbeispiele wären da vielleicht ganz amüsant gewesen, ein kleiner Exkurs vielleicht auf den aktuellen Haribo-Konfekt-Aufdruck: 0 Prozent Fett! Ein genialer Trick, um weg vom Zuckerimage auf den gerade populären 0,2-Prozent-Fett-Zug zu springen. Oder wird dieser kleine Kunstgriff eher das Vertrauen der Konsumenten zerstören? Der Autor, Unternehmensberater für Corporate Identity, bleibt dezent bei Andeutungen wie etwa, dass DaimlerChrysler nach einer „erfolglosen Phase der Diversifizierung“ sich nun wieder auf das Autobauen konzentriere. Er weiß, dass Marketing und Design, die ganze CI-Chose eh nichts mit Demokratie zu tun hätten. Die Entwicklungen müssten unbedingt von oben gesteuert werden. Außer bei der taz natürlich – da dürfen die Leser die entsorgte Tatze auf dem Cover den Grafikern in kritischen Zuschriften wieder einreden, und das sogar trotz Verwechslungsgefahr mit Jack Wolfskin. WOLFGANG MÜLLER

Robert Paulmann: „double loop – Basiswissen Corporate Identity“. Hermann Schmitz, Mainz 2005, 160 Seiten, 29,80 Euro